Jörg Dörings Gemälde „Forever“ (2018) widmet sich Weiblichkeitsklischees. Foto: dpa

Die Art Karlsruhe wartet mit abermals vergrößertem Angebot von Malerei und Skulptur von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwart auf. Frauen spielen thematisch eine große, politische Werke eine eher untergeordnete Rolle.

Karlsruhe - Irrtum, das kunstvoll-lässige Arrangement aus kahlen Ästen und Baumstämmen sowie dazwischen platzierten Blechkübeln mit roten und gelben Tulpen – den Farben der Art Karlsruhe– im riesigen Foyer des Messegebäudes ist keine Installation, kein Kunstwerk, Wilhelm Loths „Mädchentorso auf Sockel“ dagegen sehr wohl. Gleich neben dem raumgreifenden Frühlingsgruß des Hauses empfängt das übermannshohe freistehende Bronzerelief den Besucher der Kunstmesse mit breitbeinigem Selbstbewusstsein. Der Umrissform eines Hauses hat der vor genau 25 Jahren verstorbene Bildhauer einen überdimensionalen, fragmentarischen nackten Frauenkörper eingeformt – mit Bauch und Brüsten, Oberschenkeln und Vulva beziehungsweise (auf der anderen Seite) Po.

Und das in Zeiten von Metoo! Eine mutige Entscheidung, zu der man die Macher der Art Karlsruhe nur beglückwünschen kann. Sie setzt ein starkes Zeichen gegen die von der – legitimen und notwendigen! – Debatte ausstrahlende kunstfeindliche Prüderie und politische Korrektheit, die hinter jeder Darstellung eines nackten weiblichen Körpers den männlichen Verfügungsanspruch über die Frau wittert. Die Platzierung der Reliefskulptur mitten in der Empfangshalle ist dennoch nicht als Provokation gedacht (selige Zeiten, als Kunst noch provozieren konnte . . .), sondern als Hinweis auf den neu gegründeten Wilhelm-Loth-Skulpturenpreis. Von der L-Bank gesponsort und mit 20 000 Euro dotiert, tritt er neben den in diesem Jahr zum elften Mal vergebenen Hans-Platschek-Preis. Der ging an den Maler Michael Kunze, für seine mit altmeisterlicher Akribie gemalten Riesenformate zwischen Pittura metafisica und Fantasy World.

Rund 50 000 Besucher werden erwartet

Zum 15. Mal hat die längst bestens etablierte Messe für Klassische Moderne und Gegenwartskunst am Mittwoch in der Karlsruher Messe in Rheinstetten vor den Toren der Fächerstadt fürs große Publikum die Pforten geöffnet. Wieder werden rund 50 000 Besucher erwartet. Die Internationalisierung der Kunstmesse schreitet voran: Die 215 Aussteller sind aus 15 Ländern, darunter Japan und Südkorea, angereist; allein zehn Galerien kommen aus Frankreich, neun aus Italien. Auf der „Museumsmeile“ sind diesmal neben Vorzeigeinstitutionen des Landes wie dem ZKM Karlsruhe oder dem Kunstmuseum und der Staatsgalerie aus Stuttgart auch Einrichtungen wie das Europäische Zentrum für Kunst und Industriekultur Welterbe Völklinger Hütte vertreten. Wieder laden die Artima art meetings zu Podiumsgesprächen und –diskussionen ein. Zum zweiten Mal gibt es die Sonderschau Druckgrafik mit Werken von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwart. Den Besucher erwarten darüber hinaus 192 One-Artist-Shows, unter anderem auf zwanzig Skulpturenplätzen – beides Alleinstellungsmerkmale der Art Karlsruhe. Neu sind die vorverlegten Öffnungszeiten: Einlass ist bereits ab 11 Uhr.

Dem durch Metoo geschärften Blick sticht auf der Messe förmlich ins Auge, in welchem Maße Frauendarstellungen ein Thema der Kunst sind: von Sigmar Polkes titelloser Gouache bei der Kölner Kunsthandlung Osper (220 000 Euro) über Robert Metzkes’ realistische Skulpturen in Bronze und Terrakotta an den Ständen des Kunsthauses Wiesinger aus dem österreichischen Wels sowie der Berliner Galerie Helle Coppi bis hin zu Henning von Gierkes fotorealistischer „Gesichtslandschaft Elena“ in Öl (Galerie Heitsch, München). Giovanni Gastels „Divine Ladies“ am Stand der Luxemburger Galerie Clairefontaine sind glänzende Modefotografie und Kunst vom Kaliber Richard Avedons.