Art Garfunkel im Oktober 1975 in London Foto: Hulton Archive

Der Scheinwerfer irrt auf der Bühne des Beethovensaals. Schließlich kommt er zur Ruhe, liegt auf Art Garfunkel. Der Mann mit der großen Stimme bezaubert sein Publikum am Montagabend – er erzählt, singt und plaudert, gibt ein außergewöhnlich berührendes Konzert.

Stuttgart – Auf vielen Konzerten wird ein ganz persönlicher Abend mit diesem oder jenem Künstler versprochen. Kaum einer löst das aber besser ein als Art Garfunkel. Die Lieder von ihm und seinem langjährigen Musikpartner Paul Simon leben im Wurzelwerk der Träume von fast allen erwachsenen Hörern. Und doch ist es ein Unbekannter, den man an diesem Abend kennenlernt.

Art Garfunkel war eine Hälfte des erfolgreichsten Duos der Popmusik. Simon and Garfunkel lösten sich 1970 auf, selten standen die beiden seither wieder gemeinsam auf einer Bühne. Art Garfunkel hat Paul Simons Entscheidung für eine Solokarriere immer wieder öffentlich bedauert. Spät am Montagabend spricht er jedoch mit großer Zuneigung und Dankbarkeit von seinem früheren Partner. Garfunkel spielt viele Stücke, die Paul Simon schrieb – und macht aus seiner Bewunderung kein Hehl: „Paul Simon hat mein Leben zutiefst bereichert.“ Ein Simon-and-Garfunkel-Erinnerungsabend ist dies jedoch mitnichten. Auch wenn jeder Besucher im sehr gut gefüllten Beethovensaal gewiss die meisten Texte kennt – niemals hebt sich eine Stimme, um sie mitzusingen. Hier hört man das Altvertraute auf ganz andere Weise, man lauscht den vielen Geschichten, die Art Garfunkel mitgebracht hat, den kurzen Gedichten, Impressionen, die er auf Briefumschläge schrieb und die er nun, zwischen seinen Liedern, freundlich, verträumt und mit viel Humor vorträgt: Ein Star, der locker plaudert, von seiner Familie, seinen Freunden, seinen Wanderungen erzählt, milde, ein klein wenig ironisch.

Die Stimme wieder erkämpft

Fünf Jahre sind vergangen, erzählt Art Garfunkel, seitdem er seine Stimme verlor. Er hat sie sich wieder erkämpft, nach und nach. Er singt nun nicht mehr wie einst – ein Schleier scheint über seinem Tenor zu liegen. Hinter diesem Schleier aber leuchtet die vertraute Klarheit wie eine Erinnerung an vergangene Zeiten. Dort trifft Garfunkel alle Töne, gestaltet seine Melodien so schön wie eh und je.

Es ist wunderbar, „Bridge Over Troubled Water“ in einer Version zu hören, die all die Streicher, all den hallenden Bombast verloren hat, die nur getragen wird von Tab Lavens perfektem Spiel auf der akustischen Gitarre, Clifford Carters zurückhaltendem Keyboard. Aber Art Garfunkel lässt dieses Stück enden, bevor es sich ganz in die Höhe schwingt – mag sein, dass seine Stimme dorthin doch nicht mehr reicht. Er aber scherzt, erzählt seinen Zuhörern von den frühen Zeiten mit Simon – und präsentiert „Bridge Over Troubled Water“ als die halbfertige Version aus dem Proberaum von einst. Garfunkel ist Poet und Schelm, Charmeur dazu.

Viel Applaus und Emotionen

Zu Beginn seines Konzertes singt er zwei Simon-and-Garfunkel-Songs – „April Come She Will“, dann gleich „The Boxer“. Das Publikum reagiert gleich mit viel Applaus und Emotionen. Dann folgen „A Heart In New York“ und „Perfect Moment“, zwei Stücke von seinen Soloalben. Garfunkel singt „A Real Emotional Girl“ von Randy Newman, er singt auch „Bright Eyes“, jenes Lied, das Mike Batt für ihn schrieb, all dies in sorgfältigen, zurückgenommenen Arrangements. Die schönsten Momente dieses Konzertes gehören jedoch den Songs von Paul Simon. „Scarborough Fair“, „Poem On A Underground Wall“, „Homeward Bound“ und schließlich, hier mit einem drängenden Schlag der Gitarre, „Sounds Of Silence“. „For Emily“ und „Kathy’s Song“ lassen die Zeit stillstehen: Diese Stimme mag verweht sein, mag blasser sein, aber in ihr lebt die alte Schönheit.

Art Garfunkel erzählt von seinen Begegnungen mit Al Pacino, Jack Nicholson, Mike Nichols, dem Regisseur von „Die Reifeprüfung“, von seinen langen Wanderungen durch Europa, Frankreich, die Türkei, von seiner Familie. Mit 63 Jahren wurde er zum zweiten Mal Vater, sein Sohn heißt Beau – über den großen Altersunterschied zwischen Vater und Sohn sagt Garfunkel nicht ein Wort. Aber er spricht davon, was er seinem Sohn mit ins Leben geben möchte, liest verschmitzt all die guten Ratschläge vor, die er für ihn aufgeschrieben hat. „Bridge Over Troubled Water“ endet früh, Art Garfunkel verlässt die Bühne - und kehrt noch einmal zurück: um seinem Stuttgarter Publikum ein Gute-Nacht-Lied zu singen.