Galerist Sandro Parrotta (2. v. li.) und der mexikanische Künstler Gabriel Rossell Santillán (li.) im Dialog mit Teilnehmern unserer „Ortstermin“-Veranstaltung beim Art Alarm Foto: Lichtgut/Martin Stollberg

Bereits in der 16. Auflage luden am vergangenen Wochenende Stuttgarts führende Privatgalerien zum Rundgang. Unsere Zeitung bot zum Art Alarm exklusive Einblicke in die Galeriearbeit. 100 Leserinnen und Leser waren am Samstag bei unserer Führung dabei.

Stuttgart – Das ist das Erste, was den Leserinnen und Lesern unserer Zeitung am vergangenen Samstag bei unserer „Ortstermin“-Veranstaltung zum Galerierundgang Art Alarm auffällt: „Keine Galerie ist wie die andere.“

Gegensätze sind zu erleben, „ganz unterschiedliche Welten sogar“, wie eine Leserin schon auf der zweiten Station, in der Galerie Thomas Fuchs (Reinsburgstraße 68A), sagt. Und tatsächlich – war zum Auftakt mit der Galerie Parrotta (Augustenstraße 87) schon allein durch die Größe nahezu eine Kunstvereinsausstellung zu erleben, fanden sich die „Ortstermin“-Besucher bei Fuchs dicht gedrängt in einer Ladengalerie wieder.

„Das fällt uns schon gar nicht mehr auf, wie unterschiedlich allein schon unsere Räume sind“, sagt denn auch Thomas Fuchs, „aber es stimmt natürlich, und eine solche Rückkopplung ist wichtig, um auch selbst wieder die Chancen solcher Gegenwelten zu erkennen.“ Mehr noch aber wird folgen – die Eleganz einer Wohnhausetage bei der Galerie Edith Wahlandt (Hölderlinstraße 55), die Lagerhallen-Großzügigkeit bei von Braunbehrens (Rotebühlstraße 87) zuvor – und zum Finale der rohe Charme einer vormaligen Hinterhoffabrikation im Galerienhaus (Breitscheidstraße 48).

Optische Täuschungen

Immer wieder sind die Leserinnen und Leser unserer Zeitung an diesem Vormittag überrascht – zuvorderst davon, dass ihr erster Eindruck oft täuscht. So erweisen sich etwa in der Galerie Parrotta die vorgeblichen Fotoarbeiten von Stefan Guggisberg als penible Malerei – während sich umgekehrt die scheinbar in akribischer Detailarbeit entstandenen Seebilder von Jochen Hein in der Galerie Thomas Fuchs als Ergebnisse temporeicher Pinselschwünge zu erkennen geben.

Und auch die durch den Stuttgarter Unternehmer und Sammler Frank Molliné in München übernommene und in Stuttgart neu gestartete Galerie von Braunbehrens hält in dieser Hinsicht mehr als eine Überraschung bereit. Allen voran die Werke von Bradley Hart. Das doppelbödige Spiel mit der Kunstgeschichte wird in der Materialwahl des New Yorkers auf die Spitze getrieben – Hart nutzt Luftpolsterfolie (mit der sonst Kunst verpackt wird) als „Leinwand“ und spritzt jede einzelne Erhebung von der Rückseite her aus. „Das macht bei den hier zu sehenden Formaten bis zu 30 000 Farbpunkte“, erläutert Frank Molliné.

In der Galerie Marko Schacher dagegen sind sich Leser „hundertprozentig sicher“, dass die Fotoarbeiten von Martin Leuze „digital nachbearbeitet sind“. Der Galerist muss enttäuschen – „Leuze bearbeitet nichts“, erläutert er das Vorgehen des „Stadt-Flaneurs“.

Linienspiele

Überraschung für die Leserinnen und Leser unserer Zeitung in der Galerie Edith Wahlandt: Sie erleben die reguläre und prominent besuchte Eröffnung der Ausstellung mit Werken von Beate Terfloth und Katharina Hinsberg mit. „War das nicht?“ – doch sie waren es, von der Schlemmer-Spezialistin Karin von Maur über den vielen noch als Direktor der Villa Merkel in Esslingen bekannten Alexander Tolnay bis hin zu Götz Adriani, langjähriger Leiter der Kunsthalle Tübingen. Gekommen sind sie wie auch bekannte Sammlerinnen und Sammler, um so zurückhaltende wie konzentrierte künstlerische Positionen zu erleben.

„Terfloth und Hinsberg“, sagt Galeristin Edith Wahlandt, „kommen von der Zeichnung her, entwickeln ihre Werke aus der Linie.“ Was sich so noch abstrakt anhört, macht Katharina Hinsberg, einst Stipendiatin der Akademie Schloss Solitude und heute selbst Professorin in Saarbrücken, anschaulich. Ihr Blick erfasst die Menge der „Ortstermin“-Besucher in den Galerieräumen – und macht auf die Bewegung der Augen aufmerksam. „Um uns zu orientieren“, sagt sie, „geht unser Blick in die Tiefe. Wir denken in Raumlinien.“

„Ortstermin“-Impulse

Erstmals hatte unsere Zeitung zum Art Alarm eine Busnutzung angeboten. Ein Volltreffer. „Der kleine Stuttgarter“, zunächst als 30-Sitzer geordert, wuchs sich für die Kunsttour zum Doppeldecker aus – und bot doch nicht für alle Platz. „Moderierte Führungen per Bus – das wäre vielleicht doch auch etwas, das wir Art-Alarm-Macher wagen könnten“, sagt zuletzt Galerist Horst Merkle. Auf ein Neues also 2016 – beim dann 17. Galerierundgang Art Alarm in Stuttgart.