Schweres Gerät für die Kunst: Kirchheim wird Bühne für Felice Varini Foto: © Florian van het Hekke/© Florian van het Hekke

In Stuttgart rufen 19 Galerien am 24. und 25. September zum Art Alarm. Rückenwind bringt die hohe Kunstqualität in der Metropolregion Stuttgart.

Die Kunstvermittlerin Susanne Jakob liebt die Herausforderung. Für sich selbst wie für das Publikum. „Man darf die Menschen nicht unterfordern“, sagt die Vorsitzende des Kunstvereins Neuhausen. Im Gegenteil – „ein Stück vielleicht nur empfundene Überforderung macht neugierig, provoziert Fragen“. Und fördert damit das Mitmachen.

National beachtet: Kunstverein Neuhausen

Solches Denken über und mit Kunst hat den Filderort Neuhausen auf die nationale Kunstlandkarte gebracht. Wie zuletzt wieder, als Folke Köbberling im Projektraum mit Holz, Schafwolle und lehmhaltiger Erde ein Eins-zu-Eins Modell des Grundrisses eines der Arbeiterhäuser des niederländischen Architekten J.J.P OUD in der Weissenhof-Siedlung in Stuttgart nachzeichnete. „Die Menschen kamen vorbei und haben mit uns debattiert, was man mit Wolle machen kann“, sagt Susanne Jakob.

Auch in Kirchheim unter Teck gehört internationale Gegenwartskunst für die Menschen immer wieder zum Alltag. Und auch hier ist Susanne Jakob beteiligt. „Die letzten Nächte“, sagt sie, „waren denn doch anstrengend“. Bis vier Uhr morgens leuchteten in Kirchheims Zentrum „Lichtmaschinen“ (Jakob). Der Kunstbeirat der Städtischen Galerie hat den Schweizer Künstler Felice Varini eingeladen, eine seiner ortsbezogenen Malerei-Projekte zu realisieren. „Douze points pour six droites“ / „Zwölf Punkte für sechs Geraden“ heißt das Vorhaben, das am 15. Oktober eröffnet werden wird. „Das Ganze ist eine enorme Herausforderung“, sagt Susanne Jakob – und lacht.

Mit der Schau zum Sparda-Kunstpreis ist das Kunstmuseum Stuttgart Partner des Art Alarms Foto: km

Für Kay Kromeier, Vorsitzender der Initiative Zeitgenössischer Galerien in Stuttgart, ist „die hohe Kunstqualität in der Metropolregion Stuttgart immenser Ansporn für das Geschehen im Zentrum“. So passt es, dass zum Galerierundgang Art Alarm an diesem Samstag und Sonntag, 24. und 25. September, bei dem das Kunstmuseum Stuttgart mit seiner von diesem Samstag an zu sehenden Schau zum Sparda-Kunstpreis Kubus erstmals offiziell Partner des Art Alarms mit 19 Galerien ist, das Festival „Über:Morgen“ der Kulturregion Stuttgart startet.

Kulturregion setzt Zeichen

In 21 Kommunen ist die Frage „Wie wollen wir in Zukunft leben?“ Ausgangspunkt künstlerischer Projekte. Und wie schon 1992 zum Start der Kulturregion mit dem bis heute wegweisenden Skulpturenprojekt „Platzverführung“ sind viele „Über:Morgen“-Projekte von der Idee bestimmt, nach Identitäten zu fragen. Des jeweiligen Ortes, der jeweiligen Industriegeschichte, der jeweiligen Bevölkerung.

„gestern:heute:morgen – eine Stadt verändert sich“ betitelt etwa die Konzeptkünstlerin Sara F. Levin ihre Aufarbeitung der Bedeutung der Linolproduktion für Bietigheim, und der Choreograf und Kunsttheoretiker Moritz Frischkorn erarbeitet mit Studierenden der Freien Kunstschule Nürtingen (FKN) unter dem Titel „Chasing Red“ die Geschichte der Färberstadt Nürtingen am Beispiel des Melchior-Areals, heute Sitz der FKN.

Hat die 15. Triennale Fellbach konzipiert: Solitude-Direktorin Elke aus dem Moore Foto: Bernhard Kahrmann

Überall in der Region geht es um Kunst, die Menschen zusammenbringt. Auf direkte Beteiligung setzt auch die 15. Triennale Fellbach Kleinplastik. Kuratorin Elke aus dem Moore, Direktorin der Künstlerfördereinrichtung Akademie Schloss Solitude, sagt: „Die Frage, was wir gerade mit unserem Planeten machen, geht jede und jeden von uns an“. Also brauche es Formate, die eine unmittelbare Teilhabe erlauben. Versteht sich der Art Alarm als ein solches Format? „In jedem Fall“, sagt der auch in Wien aktive Stuttgarter Galerist Michael Sturm, „hat sich der Art Alarm als wichtiges Dialogforum etabliert“.

Barthélémy Toguo in Esslingen

Wer noch mehr sehen will – in der Ruoff-Stiftung in Nürtingen beginnt an diesem Sonntag eine Schau mit Bildern von Elif Celik und Stefanie Fleischhauer, und schon eröffnet ist in der Galerie der Stadt Sindelfingen unter dem Titel „What I like“ eine Ausstellung, die sich als „Beitrag zur Demokratisierung und Öffnung des Museums“ versteht. Zudem wartet im Museum Schauwerk, ebenfalls in Sindelfingen, die wundervolle Ben Willikens-Retrospektive, und die Galerie der Stadt Esslingen präsentiert in der Villa Merkel eine auch international beachtete Gesamtschau des kamerunisch-französischen Künstlers Barthélémy Toguo.

Im Zentrum der starken Kunstregion

„Kunstregion Stuttgart“, sagt Kay Kromeier, „das sagt sich so einfach. Das Tolle ist, dass sie Realität ist. Und dass wir im Zentrum das Art Alarm-Wochenende präsentieren können, ist einfach großartig“.

Was? Wann? Wo?

Was? Am 24. und 25. September bieten beim Art-Alarm 19 Stuttgarter Privatgalerien einen Überblick an künstlerischen Positionen von Malerei über Fotografie und Skulptur und Performance. Das Kunstmuseum Stuttgart eröffnet als Kooperationspartner am Freitag, 23. September, um 19 Uhr die Schau zum Sparda-Kunstpreis 2022.

Wann? Am Samstag, 24. September, sind die Galerien von 11 bis 20 Uhr, am Sonntag, 25. September, von 11 bis 18 Uhr geöffnet.

Wo? Die teilnehmenden Galerien finden sich im ganzen Stadtgebiet.

Zur Orientierung empfiehlt sich der interaktive Stadtplan unter dem Direktzugriff: www.art-alarm.de/citymap.