Am Landgericht Stuttgart wird seit Dienstag gegen sechs junge Männer aus den Kreisen Ludwigsburg und Esslingen verhandelt. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Eine blutige Auseinandersetzung zwischen Kurden und Türken in Ludwigsburg wird am Stuttgarter Landgericht verhandelt. Bei dem Verfahren gibt es eine Besonderheit.

Stuttgart/Ludwigsburg - Als der 18-Jährige in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführt wurde, klopfte er sich demonstrativ auf die Brust und zeigte seinen „Brüdern“ das Victoryzeichen. Eine widersinnige Geste. Denn Grund zum Jubeln hat der junge Mann aus Ludwigsburg nicht. Er sitzt in U-Haft, seit Dienstag muss er sich vor der 3. Großen Strafkammer am Landgericht Stuttgart verantworten. Der Vorwurf: versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung. Mit dem 18-jährigen Deutsch-Türken auf der Anklagebank: fünf weitere junge Männer, wie der Hauptangeklagte allesamt Schüler, einer sucht derzeit nach einer Ausbildung.

Die Vorwürfe gegen die jungen Männer, die aus Remseck am Neckar und Plochingen kommen, wiegen nicht ganz so schwer. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen „nur“ schwere Körperverletzung vor. Alle sechs Männer, keiner ist älter als 20 Jahre alt, fühlen sich laut der Staatsanwaltschaft der Volksgruppe der Kurden zugehörig, geboren sind sie allesamt in Deutschland.

Viel Polizei vor dem Landgericht

Diese Zugehörigkeit würden die sechs jungen Männer auch „aggressiv nach außen tragen“, heißt es in der Anklageschrift. Konflikte zwischen Türken und Kurden sind keine Seltenheit, im Kreis Ludwigsburg haben Jugendarbeiter und Polizei in der Vergangenheit viel dafür getan, diese zu entschärfen. Vorsicht ist aber immer noch geboten. Am Dienstag stand deshalb ein relativ großes Polizeiaufgebot vor dem Landgericht, auch im Saal beobachteten Beamte – trotz scharfer Kontrollen am Eingang – die Verhandlung.

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Den Angeklagten waren am ersten Freitag im Juni auf dem Weg in die Ludwigsburger Innenstadt zwei Männer begegnet, die sich ganz offen zu ihrem Türkisch-Sein bekannten. Dass auf den Klamotten die Schriftzüge „Bosporus“ und „Türkyie 34“ prangten, war der Gruppe offenbar genug, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Bei Worten blieb es nicht, schnell flogen vor dem City Döner am Arsenalplatz die Fäuste.

Videos von der Tat sind „ungewöhnlich“

Die Staatsanwältin schilderte in der Anklage ein ziemliches Durcheinander, einer der Angreifer habe im Verlauf der Auseinandersetzung einem der Opfer mit einer Pfefferspraypistole ins Gesicht geschossen. Später soll der 18-Jährige dann ein Messer gezogen haben. Während einer seiner Begleiter das Opfer festhielt, so die Staatsanwältin, habe er auf den damals 32-Jährigen eingestochen. Der Mann erlitt insgesamt sieben Stichwunden am Rücken, an den Armen und am Becken. Weil keine davon tiefer als vier Zentimeter war, bestand glücklicherweise keine Lebensgefahr. Sein Begleiter kam mit einer gebrochenen Nase ins Krankenhaus.

Richter Johannes Steinbach sprach am ersten Tag von einem „ganz ungewöhnlichen Verfahren“. Der Grund: es gibt Aufnahmen von der Prügelei, Steinbach zog den Vergleich zum Fußball und nannte sie „Videobeweis“. Die Polizei rief nach der Tat Zeugen, die gefilmt hatten, dazu auf, das Material der Kripo zur Verfügung zu stellen. Die Videos nimmt das Gericht in der kommenden Woche in Augenschein. Insgesamt sind bis Mitte März 16 Verhandlungstage angesetzt.