Eintracht Frankfurts Trainer Armin Veh spricht im Interview über den Höhenflug seiner Elf, Borussia Dortmund als Vorbild und seine Zeit in Stuttgart.

Der VfB empfängt an diesem Sonntag (15.30 Uhr/Sky und Liga total) das Überraschungsteam Eintracht Frankfurt, das nach acht Spieltagen sensationell Tabellenzweiter ist. „Der VfB ist Favorit“, sagt Trainer Armin Veh, „da können wir uns als Aufsteiger ruhig unsere Jungfräulichkeit bewahren.“

Herr Veh, in der Länderspielpause haben Sie sich kürzlich eine Woche freigenommen, um mit Ihrem Hund Jerry daheim in Augsburg spazieren zu gehen. Haben Sie sich gut erholt?
Ja, und das brauche ich auch. Wenn ich Zeit habe, nehme ich mich raus. Das ist wichtig, um mal wieder runterzukommen, das ist gut für meine Bodenhaftung. Es tut mir einfach gut.

Und Ihre Mannschaft kann auf Sie verzichten?
Schauen Sie, in so einer Länderspielpause sind doch die meisten Spieler weg. Und auf dem Trainingsplatz stehen dann mehr Trainer als Spieler. Ich vertraue meinem Trainerstab, die Jungs haben das im Griff. Sie wissen dann, was zu tun ist.

Das gilt auch für Ihre Mannschaft auf dem Platz. Als Aufsteiger stehen Sie nach acht Spieltagen sensationell auf dem zweiten Platz. Was ist das Erfolgsgeheimnis?
Wir hatten im Sommer eine sehr lange Vorbereitung über acht Wochen. Mir war sehr schnell klar, wie wir spielen wollen und mit wem wir es umsetzen wollen. Unser Ziel war es, einen schnellen, dominanten Fußball spielen zu lassen. Ich hatte sehr früh meine Stamm-Formation im Kopf, und die habe ich das über acht Wochen fleißig einüben lassen.

Sie haben Ihrem Team zudem viele Videos von Borussia Dortmund gezeigt. Warum?
Der BVB ist unser Vorbild. Sie waren in den vergangenen zwei Jahren die führende Kraft im deutschen Fußball. Da ist es doch klar, dass man sich etwas abschauen kann. Dortmund spielt immer mit Tempo nach vorne, sie attackieren den Gegner früh in dessen Hälfte und schalten nach Ballgewinnen blitzschnell um – so wollen wir auch spielen.

Was Ihnen bisher eindrucksvoll gelungen ist. Dabei haben Sie Ihre Stammelf fast nur mit Profis aus der zweiten Liga verstärkt.
Was heißt hier „nur“? Schauen Sie, eigentlich wollte ich vor der vergangenen Saison ja gar nicht in die zweite Liga. Aber dann hat Bruno Hübner (Sportdirektor der Eintracht, d. Red.) einfach nicht lockergelassen. Wir kennen uns schon lange, uns verbindet eine Freundschaft. Ich habe ihm dreimal abgesagt, aber der Wahnsinnige hat nicht aufgegeben. Ich habe dann doch noch zugesagt – und dann haben wir aus der Not in der zweiten Liga einfach eine Tugend gemacht.

Das müssen Sie erklären.
Ich kannte diese Liga ja gar nicht. Dann habe ich mich natürlich sehr intensiv mit ihr beschäftigt – und es wurde mir schnell klar, dass gute Zweitliga-Spieler problemlos in der Bundesliga bestehen können.

Sie holten nach dem Aufstieg unter anderen Stefan Aigner von 1860 München und Takashi Inui vom VfL Bochum – die beiden sind aus der Eintracht-Stammelf nicht mehr wegzudenken. Sie prägen den dominanten, schnellen Fußball mit – den Sie am Sonntag sicher auch dem VfB aufzwängen wollen.
Nein – ich maße es mir sicher nicht an zu sagen, dass wir in einem Auswärtsspiel beim VfB dominant auftreten wollen. Das ist der Vorteil eines Aufsteigers – man kann die Favoritenrolle abgeben. Wir können uns unsere Jungfräulichkeit bewahren (lacht). Die Favoritenrolle liegt beim VfB, der das Spiel machen muss. Das erwarten die Zuschauer in Stuttgart ja auch.

Wie werden Sie Ihr Team einstellen, wie wird die Eintracht auftreten?
Dazu will ich jetzt nichts sagen. Denn wenn ich Ihnen jetzt etwas sage, stimmt es eh nicht. Also sage ich mal lieber gar nichts (lacht).

2007 wurden Sie in Stuttgart mit vielen jungen Spielern überraschend deutscher Meister. Gibt es Parallelen zur jetzigen Mannschaft von Eintracht Frankfurt?
Ich mag so was ja eigentlich nicht, irgendwo immer nach Parallelen zu suchen. Aber es stimmt schon, damals beim VfB hatten wir Talente wie Serdar Tasci, Sami Khedira und Mario Gomez , die ihren Weg gemacht haben. Und jetzt, in Frankfurt, gibt es Jungs wie Sebastian Rode oder Sebastian Jung, denen ich Ähnliches zutraue. Sie können vielleicht auch bald mal in der Nationalelf spielen.

Hat die Eintracht von heute dasselbe Potenzial wie der VfB von 2007?
Nein. In Stuttgart hatten wir neben den Jungprofis noch viele gestandene Spieler wie Fernando Meira oder Matthieu Delpierre. Die VfB-Mannschaft von damals hatte mehr Substanz als wir heute. Wir werden unser Ziel auch nicht ändern, auch wenn das natürlich alle hören wollen. Für uns zählt in dieser Saison nur der Klassenverbleib – ich glaube, zwölf Clubs haben ein größeres Budget als wir, da ist das nur folgerichtig.

Die Ansprüche des VfB sind höher. Was trauen Sie dem Team von Bruno Labbadia zu?
Die Stammelf hat sich nach der tollen Rückrunde in der vergangenen Saison kaum verändert. Dass eine Mannschaft in einer Saison mal eine Schwächephase durchmacht, ist normal. Der VfB hat auch in dieser Saison das Potenzial, oben mitzuspielen.

Wie haben Sie die Wutrede von Bruno Labbadia verfolgt?
Ich kann den Bruno schon verstehen, wir Trainer sind ja tatsächlich oft die Mülleimer für alles. Ich denke aber auch, dass wir uns nicht so wichtig nehmen sollten. Ich hätte es nicht so gemacht – vielleicht bin ich mit meiner Erfahrung auch einen Tick gelassener. Ich habe ein paar Falten mehr bekommen im Gesicht, ich lasse die Berichterstattung nicht mehr so sehr an mich heran. Vieles interessiert mich gar nicht mehr. Gott sei Dank bin ich nicht mehr so, wie ich mit Anfang 30 war. Da würde ich jetzt bestimmt wie ein echter Klugscheißer rüberkommen (lacht).

Sie haben schon vor ein paar Jahren gesagt, dass Sie niemandem mehr etwas beweisen müssen.
Das stimmt so nicht. Mein Anspruch ist es, einen guten Job zu machen. Das will ich mir selbst beweisen. Und es ist auch nicht genug, nur unten an der Trainerbank zu stehen und sonst nichts zu tun. Dafür verdient man als Coach zu viel Geld.

Was tun Sie denn sonst noch?
Es geht darum, bei einem Verein etwas anzupacken und etwas verändern zu wollen. Man muss sich engagieren – auch im Umgang mit den Spielern.

Wie tun Sie das?
Man muss den Jungs mit auf den Weg geben, wie wichtig Respekt ist. Ich höre da manchmal von jungen Burschen, die kaum 20 Jahre alt sind, dass sie den Respekt bei einem Club vermissen. Die sollen ihrem Verein erst mal etwas geben, bevor sie etwas einfordern. Man sollte eine gewisse Demut als Profi zeigen, und das versuche ich den Jungs mit auf den Weg zu geben.

Das haben Sie auch beim VfB versucht – zunächst sehr erfolgreich. Nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft 2007 war dann im Herbst 2008 aber Schluss. Warum eigentlich?
Meine Zeit war abgelaufen. Nach der Meisterschaft ging nicht viel mehr. Das Schlimme war, dass bei vielen die Meinung vorherrschte, dass die Saison nach dem Titel verkorkst gewesen sei. Aber da sind wir trotz vieler Verletzungen über den UI-Cup noch in den Uefa-Cup eingezogen. Ich sage Ihnen was: Die Meinung, dass der VfB immer unter den ersten Fünf sein muss, hat man in und um Stuttgart exklusiv. Es gibt auch noch andere Top-Clubs – dennoch gehört der VfB zu den erfolgreichsten deutschen Vereinen der vergangenen zehn Jahre.

Welche Fehler haben Sie nach der Meisterschaft gemacht?
Wir haben die falschen Neuzugänge geholt. Das hat damals nicht gepasst, und das muss man sich auch eingestehen. Das ist das, was hängen bleibt.

Sie meinen Spieler wie Yildiray Bastürk, Ewerthon oder Raphael Schäfer.
Genau. Aber ich finde die ganze Diskussion um die Ausgaben von damals zu einseitig. Dass der VfB jetzt sparen muss, liegt mit Sicherheit nicht an den Transfers von mir und meinem Freund Horst Heldt (bis 2010 VfB-Sportdirektor, d. Red.). Wer hat denn damals die Verträge mit Mario Gomez, Sami Khedira oder Christian Träsch verlängert, damit die später für viel Geld verkauft werden konnten? Ohne das hätte es die ganzen hohen Transfererlöse doch gar nicht gegeben.

Sie schauen mit Groll auf die Zeit beim VfB zurück?
Ganz und gar nicht. Ich trage den VfB immer im Herzen. Ich werde die großartigen, emotionalen Momente nach der Meisterschaft nie vergessen. Wir haben bei unserem Autokorso durch die Stadt für acht Kilometer viereinhalb Stunden gebraucht, so viele Menschen waren da. Das war etwas ganz Besonderes.