Diese beiden Kommissare sind der absolute Kult: Axel Prahl als Frank Thiel und Jan Josef Liefers als Prof. Karl-Friedrich Boerne im „Tatort“ aus Münster Foto: /Foto: WDR

Schimanski, Bienzle, Palu – Manfred Krug, Ulrike Folkerts oder Hansjörg Felmy: Wer denkt da nicht gleich an den „Tatort“?! Früher war es etwas Besonderes, in diesem Format Ermittler zu sein. Ist das heute auch noch so oder hat sich die Relevanz verändert?

Berlin - Wenn der „Tatort“ Ende November 50 Jahre alt wird, haben Mads Andersen und Liv Moormann noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt – um im Bild zu bleiben. Denn die neuen Ermittler aus Bremen werden erst 2021 im Fernsehen zu sehen sein. „Natürlich freue ich mich sehr auf die Rolle und vor allem darauf, Teil der ‚Tatort‘-Familie zu werden“, sagte Jasna Fritzi Bauer alias Moormann nach Angaben von Radio Bremen. „Es kommen nicht viele Leute auf die Idee, mich als Kommissar zu besetzen.“ Wegen ihres jugendlichen Aussehens ist Bauer bislang oft für Teenager-Rollen engagiert worden.

Nun also „Tatort“-Ermittlerin. Eine Rolle im letzten deutschen TV-Lagerfeuer. Sonntagabend, beste Sendezeit und die Chance auf ein Millionenpublikum. Welche Bedeutung das für Darsteller haben kann, macht ein Zitat von Daniel Sträßer deutlich, der im recht jungen Saarbrücker Team als Leo Hölzer zu den Neulingen im „Tatort“-Rund zählt. Das Rollenangebot habe ihn sich mit seiner eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen lassen, sagte Sträßer damals. Eine Freundin habe nämlich mit den Worten reagiert: „Krass, Daniel, wenn du stirbst, gibt’s ne ‚Spiegel-Online‘-Push-Mitteilung.“

Ist es also eine so große Ehre, eine Hauptfigur im „Tatort“ zu spielen? „Selbsterklärend“ findet das Christian Hißnauer vom Institut für deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, der sich viel mit dem Format auseinandergesetzt hat. In den vergangenen 50 Jahren habe es gleichermaßen große Namen wie Eintagsfliegen unter den „Tatort“-Ermittlern gegeben.

Mit manchen Ermittlern identifizieren sich die Zuschauer, an anderen reiben sie sich

Rückblickend wie auch aktuell stehen manche Namen quasi stellvertretend für den „Tatort“ - mal jene der Kommissare, mal jene der Schauspieler. Schimanski, Bienzle, Palu, Tschiller und Faber oder Manfred Krug, Nicole Heesters, Hansjörg Felmy, Ulrike Folkerts, Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär sind nur einige Beispiele. Genauso gibt es aber unter der Ermittler- und Darstellerriege auch weitgehend unbekannte wie Kommissar Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) aus dem Franken-Team oder Kommissarin Mila Sahin (Almila Bagriacik), die in Kiel an der Seite von Klaus Borowski (Axel Milberg) ermittelt.

Mit am größten ist die Fangemeinde beim oft als klamaukig beschriebenen beziehungsweise verschrienen Münster-„Tatort“. „Wenn Thiel und Boerne ermitteln, wachsen die Vorfreude und anschließende positive Resonanz auf eine erstausgestrahlte Episode auf unserem Portal und unserer Facebook-Seite merklich“, so Sabine Pofalla von der Seite „tatort-fans.de“. „Dieser ‚Tatort‘ wird regelrecht gehypt.“

Aus Sicht von Stefan Scherer vom Institut für Germanistik am Karlsruher Institut für Technologie taugen viele Ermittlerfiguren nach wie vor als Gesprächsthema. Man könne sich mit ihnen identifizieren oder sich an ihnen reiben, sagt Scherer. Mit Borowski, Ballauf/Schenk (Köln) oder Batic/Leitmayr (München) verbinde der Zuschauer auch ein wiederkehrendes dramaturgisches Konzept.

Private Probleme machen die Kommissare nahbar

Bei der Besetzung gehe es manchmal um große Namen, dann wiederum um das schauspielerische Talent. So sei beispielsweise Dagmar Manzel (alias Hauptkommissarin Paula Ringelhahn in Nürnberg) dem Publikum vielleicht eher als Theaterschauspielerin bekannt. „Anders die Münchner“, sagt Scherer. „Das sind schlechte Schauspieler, aber die haben gute Bücher, die filmisch interessant sind.“

Praktiker finden die Darstellung dabei in vielen Aspekten realistisch. Gerade dass die privaten Probleme der Kommissare wie Scheidungen oder psychische Belastungen immer mehr eine Rolle spielten, komme der Wahrheit sehr nah, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, Dirk Peglow.

Allerdings sind die TV-Ermittler maximal dreimal im Jahr in neuen Folgen zu sehen. „Da dauert es, bis man einen Ermittler kennenlernt“, sagt Scherer. Zudem würde derzeit viel ausgetauscht – etwa das Saarbrücker Team komplett, nachdem die Variante mit Devid Striesow als Hauptkommissar Jens Stellbrink floppte oder eben die Bremer Ermittler. Im Dresdner Team hat Cornelia Gröschel vor einigen Folgen Alwara Höfels abgelöst, in Dortmund folgte Jan Pawlak auf Stefan Konarske. Aus der Schweiz kommen „Tatorte“ jetzt nicht mehr aus Luzern, sondern aus Zürich – ebenfalls mit einem völlig neuen Team. „Zurzeit entsteht Überdruss“, meint Scherer. „Man blickt nicht mehr durch bei dem Austausch. Es herrscht eine gewisse Desorientierung.“