Anja, Melanie und Lydia (v. l.) können nur kurz an alte Zeiten anknüpfen. Foto: WDR/Weigelt

In „Wolfswinkel“ verschafft sich Ex-Soapstar Lydia mit rechten Slogans Aufmerksamkeit. Ihre Freundinnen gehen unterschiedlich damit um – bis die Ereignisse eskalieren.

Melanie (Annett Sallawisch) ist Mitte dreißig und bei der brandenburgischen Polizei. Ihr Alltag in Wolfswinkel besteht aus dörflichen Bagatellen: liegengelassender Müll am Seeufer, geklaute Fahrradteile oder Marihuana-Pflanzen im Garten der örtlichen Grundschule. Zwischendurch erfüllt sie Oma Martha (Carmen-Maja Antoni) zum hundertsten Geburtstag einen lang gehegten Traum. Die Dame darf im Polizeiwagen mitfahren. „Kann ick jetzt den Knopf drücken?“ Und schon blinkt zur Feier des Tages das Blaulicht. Muss das Gemüt in dieser Idylle aus Wäldern, Wiesen und Seen doch einmal beruhigt werden, setzt sich Melanie in eine Hollywoodschaukel und streichelt ein Hühnchen.

Der ARD-Film „Wolfswinkel“ versteht es, eine sommerlich-leichte Atmosphäre herzustellen und den Eindruck zu erwecken, die Zuschauer hätten es hier mit einer Dorfkomödie zu tun. Die Fallhöhe ist groß für die kommenden, gar nicht mehr beschaulichen Ereignisse. Eines Tages taucht Lydia (Claudia Eisinger) auf. Ex-Soapstar, Influencerin, Schulkameradin von Melanie und Grundschullehrerin Anja (Alina Levshin). Kurz flammt die ehemalige Verbundenheit der drei wieder auf, es gibt innige Umarmungen und Schnaps in der Kneipe. Die nostalgischen Gefühlen werden jedoch im Keim erstickt, als Lydia anfängt mit dem Slogan „Holt euch eure Heimat zurück“ im Dorf wie auf Social Media eine immer größer werdende Gefolgschaft aufzubauen.

Die drei Freundinnen zeigen in der ARD-Produktion „Wolfswinkel“ von Regisseurin Ruth Olshan und Drehbuchautorin Scarlett Kleint recht anschaulich die Dynamik von Gemeinschaften. Immer, wenn es angebracht wäre Stellung zu beziehen, beruft sich Melanie auf die Neutralität ihres Berufsstandes. Anja hingegen stellt sich dagegen. Sie ist die erste, die bemerkt, Lydia reite auf der braunen Welle.

Die zentrale Frage des Films ist eine, die sich vor allem in den vergangenen Pandemiejahren viele Menschen gestellt haben dürften: Wie geht man mit Freunden um, die abzudriften drohen? Dazu bedient sich der Film eines ebenfalls seit einigen Jahren bestehenden Phänomens, den rechten Influencerinnen. Kochtutorials und Schminktipps auf Youtube, Selfies auf Instagram, Craft Beer statt Springerstiefel – die Akteurinnen wirken harmlos, die Gesinnung bemerkt häufig nur, wer genauer hinschaut und hinhört.

„Wolfswinkel“ bleibt dabei aber recht oberflächlich. Die Zuschauer erfahren nicht, weshalb Lydia vom Soapstar zur rechten Ideologin wird. Ihrer mantraartig wiederholten Floskel folgt keine Erklärung, wer ihr diese Heimat geklaut haben soll. Vielleicht zeigt das aber auch nur, dass es der Influencerin nach dem gescheiterten Großstadtleben vor allem um eines geht: Die Bewunderung aufzusaugen, die sie in der alten Heimat noch immer genießt. Vor allem die Dorfjugend wird zu Lydias leichter Beute. Vielleicht hat sie all das nicht intendiert. Für ein bisschen Aufmerksamkeit nimmt sie die Radikalisierung ihrer Umgebung aber gerne in Kauf.

Eisinger, Levshin und vor allem Sallawisch können in ihren Rollen überzeugen. Alle anderen Dorfbewohner bleiben schemenhaft. Der Genremix des Films ist gewagt. Die Themen sind Stoff für politisches Drama, und trotzdem bleibt „Wolfswinkel“, auch als die Ereignisse eskalieren, bei seiner beschwingten Erzählweise. Absurd wird es vor allem bei der kleinen Musical-Einlage, die gegen Ende des Films eher deplatziert wirkt.

ARD, 29. März, 20.15 Uhr