Ranga Yogeshwar untersucht, wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändert. Hier lässt er sich von einem Roboter des Herstellers Kuka in Augsburg umarmen. Foto: WDR

Ranga Yogeshwar macht seit gut 30 Jahren Wissenschaftsjournalismus im Fernsehen. Jetzt zeigt die ARD seinen Film „Der große Umbruch“ über Künstliche Intelligenz.

Stuttgart - Ranga Yogeshwar ist einer der Menschen, die angesichts unserer kollektiven Ignoranz längst durchgedreht sein müssten. Als Wissenschaftsjournalist mit Physikdiplom weiß er schließlich genau, in welchem Tempo unsere Spezies Richtung Katastrophe rast. Kurz vorm sechzigsten Geburtstag könnte der Welterklärer demnach langsam mal aufgeben. Bringt ja doch nix, die faktenresistente Menschheit vorm Kollaps zu warnen, wenn ihn US-Präsidenten leugnen oder Bundesverkehrsminister faseln, er sei nur mit noch mehr Fortschritt abzuwenden. Da müsste also auch ein Ranga Yogeshwar die Segel streichen. Oder? Denkste!

„Ich bin von Haus aus Optimist“, sagt der Sohn eines indischen Ingenieurs und einer luxemburgischen Kunsthistorikerin. „Wenn wir begreifen, wie wichtig es ist, das Ganze auch gesellschaftlich stabil zu gestalten, ist mir nicht bange“, fügt er im seltsam antiquierten Duktus seiner deutschen Wahlheimat hinzu und beackert dafür ein Feld, auf dem all die Chancen der Zivilisation mit zurzeit noch unüberschaubaren Risiken gedeihen: Künstliche Intelligenz, kurz KI. Um dieser vermeintlichen Heilslehre ein weise lächelndes Gesicht zu geben, ist Ranga Yogeshwar um den Globus gereist – auf den Spuren einer Zukunftstechnologie, die uns entweder noch rasanter in den zivilisatorischen Kollaps treibt – oder davor bewahrt.

Fragen, um Antworten zu finden, keine Wahrheiten

Seinem Naturell entsprechend nimmt der Co-Autor von Tilmann Wolff eher Letzteres an und hat seinen ARD-Film wertfrei „Der große Umbruch“ genannt, Untertitel: „Wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändert“. Doch wäre Ranga Yogeshwar nicht Ranga Yogeshwar, sondern, sagen wir: Aiman Abdallah, würde er die epochale Technologie angeblich selbstbestimmter Rechenprozesse – wie bei Abdallahs „Galileo“ üblich – bloß abfeiern und dann fürs siebte Smartphone im sechsten Jahr werben. Stattdessen fährt Yogeshwar durch Europa, China und die USA und spricht mit Herstellern, Experten, Nutzern über Ursachen, Zustände, Konsequenzen einer Ingenieursleistung, die der Experte im Interview zwar „eindeutig als Chance“ sieht, aber auch ein paar Dinge beachtet sehen möchte – vor allem wenn es um ethische Überlegungen geht.

Dafür tut der vierfache Vater das, was Journalisten immer tun sollten, um die Zukunft ihrer Lieben zu sichern: fragen. Fragen, um Antworten zu finden, keine Wahrheiten. Fragen, weil jedes Ausrufezeichen aus Sicht gewissenhafter Fachleute nur weitere Fragezeichen aufwirft. Ranga Yogeshwar bleibt in der Sache hart, aber weich im Tonfall – mit dieser Technik hat er das Wissenschaftsfernsehen vor 25 Jahren förmlich revolutioniert.

Kritisch und mit klarer Kante

Ausgebildet beim legendären Jean Pütz, positionierte sich seine Wissensshow „Quarks & Co“ schließlich schon 1993 so unterhaltsam wie lehrreich zwischen dem zwar gesellschaftskritischen, aber betulichen Moderationsstil seines Lehrmeisters und dem leichten, aber angestaubten TV-Unterricht eines Joachim Bublath. Dank seiner zweiminütigen Vernunftbetankungen „Wissen vor acht“ im Ersten ist Ranga Yogeshwar zwar der verbindlich Nette vom öffentlich-rechtlichen Bildungsfunk geworden, er zeigte aber auch da stets jene klare Kante, die das Medium zum Wohle der Zuschauerlaune gern vermissen lässt. Von dieser freundlichen Konfliktbereitschaft zeugt sogar sein soziales Engagement. Anders als 99 Prozent des Showbiz, ist er nicht karitativ für irgendwas mit Kindern tätig, sondern gegen Rassismus, Prostitution, den Klimawandel.

Wenn der dutzendfach preisgekrönte Wissenschaftsjournalist nun die Welt der KI in einem Medium erklärt, dessen Rummel ihm eigentlich viel zu groß ist, darf man also sicher sein, dass es bei allem Optimismus angemessen kritisch zugeht. „Nicht überall, wo Intelligenz draufsteht“, meint er über sein neues Untersuchungsobjekt, „ist auch Intelligenz drin.“