Nichtsahnend: Familie Müller freut sich auf das Flugspektakel Foto: SWR/Marc Bossaert

„Ramstein – Das durchstoßene Herz“ erzählt von der Flugschau-Tragödie im Sommer 1988. Der Film weidet sich nicht sensationslüstern am Grauen, sondern rückt die Sichtweise der Opfer ins Zentrum.

Es liegt in der Natur des Unglücks, dass es sich meist aus heiterem Himmel ereignet. In diesem Fall stimmt das buchstäblich: An einem schönen Sommertag im August 1988 wandelte sich eine Flugschau auf der pfälzischen Ramstein Air Base zu einer der größten Tragödien, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland ereigneten. Höhepunkt einer Vorführung der italienischen Kunstflugstaffel sollte ein mit Rauchstreifen an den Himmel gemaltes Herz sein, das von einem Flugzeug durchstoßen wird. Dabei kollidierten drei Maschinen. Binnen Sekunden entwickelte sich ein flammendes Inferno. Es grenzt an ein Wunder, dass nicht noch viel mehr der schätzungsweise 300 000 Menschen betroffen waren. Nach offiziellen Angaben gab es siebzig Tote, mehr als Tausend Verletzte.

Der Notfallmediziner muss über Leben und Tod entscheiden

Aber wie lässt sich von dem Unglück erzählen, ohne die Inszenierung spekulativ wirken zu lassen? Holger Karsten Schmidt (Buch) und Kai Wessel (Regie) haben einen Weg gefunden, der vorbildlich ist, selbst wenn „Ramstein – Das durchstoßene Herz“ Szenen zu bieten hat, die auch aus einem Katastrophenfilm stammen könnten. Die Fakten vermittelt ein Mitarbeiter des Luftfahrtbundesamts (Trystan Pütter), der mit einer Kollegin (Elisa Schlott) die Hintergründe der Katastrophe untersucht. Zu ihren Befragten gehört der Notfallmediziner Kruse (Jan Krauter). Seinen Schilderungen verdankt der Film einige seiner bewegendsten Momente, weil der Arzt angesichts der unüberschaubaren Anzahl an Schwerverletzten binnen Sekunden entscheiden musste, bei wem sich eine Versorgung nicht mehr lohnt. Eine weitere Ebene zeigt das Treffen einer Selbsthilfegruppe, die sich aus Überlebenden und weiteren Betroffenen zusammensetzt.

Wie bei fast allen Verhängnissen dieser Art entpuppte sich der vermeintliche Schicksalsschlag als Ergebnis menschlichen Versagens, das anschließend vertuscht werden sollte. Der Sicherheitsabstand des Publikums war nur halb so groß wie vorgeschrieben. Außerdem habe es kein Rettungskonzept gegeben, kritisiert Kruse, so dass das Chaos in die Kliniken verlagert wurde – die Katastrophe in der Katastrophe.

Die Kamera weidet sich nicht am Unglück der Menschen

Der dreifache Grimme-Preisträger Schmidt hat bereits 1988 ein erstes Drehbuch geschrieben, aber eine Anstalt nach der anderen hat abgewinkt, auch der gewissermaßen zuständige SWR – Ramstein liegt im Sendegebiet. Dabei hat der Sender mit „Flug in die Nacht – Das Unglück von Überlingen“ (2009) schon einmal gezeigt, wie sich eine derartige Tragödie mit der nötigen Zurückhaltung erzählen lässt.

Umso respektabler, dass der SWR das Projekt nun doch finanziert hat, obwohl die Kosten schon wegen der aufwendigen Computerbilder vermutlich weit über dem Durchschnitt gelegen haben dürften. Neben dem Budget wird auch die Furcht vor dem optischen Grauen die Skrupel der Sender genährt haben. Die Kamera (Holly Fink) weidet sich jedoch nie am Unglück der Menschen. Und, das war allen Beteiligten ein Anliegen: Die Sichtweise der Opfer steht im Zentrum der geschickt miteinander verwobenen Handlungsstränge. Erfunden ist nur das Ermittlerduo, alle anderen sind authentischen Vorbildern nachempfunden, keines der Schicksale ist ohne Einwilligung erzählt worden.

Ramstein – Das durchstoßene Herz.ARD, 26. Oktober, 20.15 Uhr; im Anschluss um 21.45 Uhr „Ramstein – Die Doku“; beides bereits in der Mediathek abrufbar.