Täter und Opfer: Jonas (Gustav Schmidt) und Anna (Emma Drogunova). Foto: WDR/Gaumont/Kilian

Der ARD-Fernsehfilm „Nichts, was uns passiert“ erzählt auf ungewöhnliche und beeindruckende Weise von einer jungen Frau, die von einem Bekannten vergewaltigt wird. Dabei werden auch Perspektiven des Täters und der gemeinsamen Freunde gezeigt.

Es beginnt wie eine locker-leichte Sommeraffäre zwischen Anna (Emma Drogunova) und Jonas (Gustav Schmidt). Sie lernen sich über den gemeinsamen Freund Hannes (Lamin Leroy Gibba) kennen. Danach laufen sie sich ein paar Mal über den Weg. Sie diskutieren miteinander, sind sich häufig uneinig, aber auch irgendwie sympathisch. Sie verbringen einen Abend miteinander und haben schließlich einen One-Night-Stand. Als sie sich kurz darauf wieder auf einer Feier begegnen, kommt es zu der Tat, die das Leben der beiden völlig verändern wird. Denn als sie betrunken in Jonas Zimmer landen, wird Anna von Jonas vergewaltigt.

„Nichts, was uns passiert“ ist der Titel des ARD-Fernsehfilm, der auf dem gleichnamigen Roman von Bettina Wilpert beruht. Dieser erschien 2018, als die #Metoo-Debatte in Deutschland hitzig geführt wurde. Doch fünf Jahre später hat das Thema nichts von seiner Aktualität verloren. Der Film, der fast ausschließlich von Frauen umgesetzt wurde (Regie und Drehbuch: Julia C. Kaiser, Produzentin: Sabine de Mardt), zeigt auf ungewöhnliche Weise auf, wie die Gesellschaft mit sexualisierter Gewalt umgeht und welche stereotypen Bilder von Opfern und Tätern vorherrschen.

Opfer und Täter entsprechen nicht den Klischees

„Eine Vergewaltigung ist nichts, was uns passiert. Vergewaltigung passiert anderen Leuten“, sagt Anna zu Kelly (Shari Crosson), die für ihren Podcast sie, aber auch Jonas und Personen aus ihrem Umfeld zu den Geschehnissen interviewt. Anna beschreibt damit ihre Gefühle in den ersten Wochen nach der Vergewaltigung, als sie zum Selbstschutz zunächst nicht wahrhaben will, was ihr widerfahren ist. Es ist jedoch auch ein Satz, den Jonas (Gustav Schmidt) sagen könnte. Denn Jonas entspricht weder in seinem Selbstbild, noch in den Augen seiner Freunde dem Klischee eines Vergewaltigers. Er ist ein netter, intelligenter Typ, der laut seiner Mutter sogar ein Feminist ist. Er kann sich die Tat vor sich selbst nicht eingestehen und spricht von einvernehmlichem Sex.

Und die Freunde und Freundinnen der beiden müssen sich fragen, wem sie glauben und wie sie sich zu der Situation verhalten wollen. In starkem Kontrast zu dem schwerwiegenden Thema steht die sommerliche Atmosphäre des Films – auch hier werden stereotype Darstellungen vermieden.

Das Drama zeigt verschiedene Perspektiven, bleibt aber trotzdem bei Anna

Das Drama stellt zwar die 27-jährige Anna in den Mittelpunkt, die Emma Drogunova grandios darstellt; doch durch die Interviews der Podcasterin Kelly nimmt der Film auch die Perspektiven von Jonas, dem gemeinsamen Freund Hannes, Annas Mitbewohnerin und anderen Personen aus ihrem Umfeld ein. Auch werden einzelne Schlüsselszenen, wie beispielsweise das erste Zusammentreffen der beiden nach der Vergewaltigung, erst aus Annas’ und später aus Jonas’ Sicht gezeigt.

Durch die Multiperspektive wird offenbar, wie schwer der Umgang mit sexualisierter Gewalt in einer vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft immer noch fällt. Und so stellt sich die Frage, wie man zu einem Opfer steht, das nicht zu den gewohnten Darstellungen eines Opfers passen will. Und zu einem Täter, der, wie Anna sagt, kein böser Mensch ist, aber „was schlimmes getan hat“.

Nichts, was uns passiert ARD, Mittwoch, 1. März, 20.15 Uhr.