Leistungsdruck und Künstliche Intelligenzen als Mentoren: Das ARD-Near-Future-Drama „Morin“ wagt einen Blick in das beklemmende Bildungs- und Wertesystem der nahen Zukunft.
Deutschland in einer nicht allzu fernen Zukunft: Das staatliche Schulsystem ist endgültig an seine Grenzen gestoßen. Die jugendliche Elite besucht Einrichtungen, die von der Wirtschaft gefördert werden. Auf diese Weise haben die Topkonzerne schon früh Zugriff auf die klügsten Köpfe und die Führungskräfte von morgen. Die Ausbildungsplätze sind entsprechend begehrt, aber der Besuch dieser Kaderschmieden hat seinen Preis: Weil nur die Besten übernommen werden, herrscht von Anfang an ein enormer Leistungs- und Konkurrenzdruck, dem nicht alle gewachsen sind.
Vor diesem Hintergrund erzählt der Grimme-Preisträger Hans-Ullrich Krause („Der Fall Bruckner“) die Geschichte des elfjährigen Morin (Leo Alonso-Kallscheuer), der davon träumt, eines Tages zum Mars zu fliegen. Mit der bestandenen Aufnahmeprüfung an einer Junior Academy kommt er seinem Ziel einen großen Schritt näher; die Schule wird offenbar von einem Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrtindustrie gefördert. Schon beim ersten Test in einer virtuellen Realität beeindruckt der Junge durch eigenständiges Denken. Früh zeichnet sich ab, dass es am Ende zum Zweikampf mit einer ähnlich hochbegabten Mitbewerberin kommen wird, aber da hat der Konzern längst entschieden, wer das Duell gewinnen soll – und Morin erkennt, was wirklich wichtig ist im Leben.
Die Dialoge sind mit Fachbegriffen gespickt
Die Botschaft klingt pädagogisch, was nicht weiter überrascht, denn Krause ist Pädagoge und außerdem auch Mitglied der Geschäftsführung des Kinderhauses Berlin Mark Brandenburg sowie Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen. Das Drama, das im Jahr 2037 angesiedelt ist, gehört zum Science-Fiction-Subgenre Near Future. Der finanzielle Vorteil solcher Filme liegt auf der Hand: Technologisch mag sich innerhalb von 15 Jahren eine Menge ändern, aber die Ausstattungswelt muss bloß leicht modifiziert werden.
Anders verhält es sich mit der Sprache: Dass die jungen Mitwirkenden hier Redewendungen wie „echt jetzt“, „nice“ oder „mega“ verwenden, klingt allzu sehr nach Gegenwart. Ein deutlich größeres Manko sind jedoch die darstellerischen und dabei insbesondere die sprachlichen Leistungen. Die jugendlichen Ensemblemitglieder müssen ständig Dialoge aufsagen, die mit Fachbegriffen gespickt sind. Dabei erwecken sie nicht immer den Eindruck, als ob sie wüssten, was sie von sich geben. Viele Sätze klingen zudem aufgesagt, was allerdings auch für einige der erwachsenen Ensemblemitglieder gilt (Regie: Almut Getto).
Die Mentorin ist eine Hologramm-KI
Trotzdem ist „Morin“ insgesamt sehenswert, zumal gerade der Zukunftsentwurf mit seinen wie selbstverständlich in den Alltag integrierten Hologrammen stimmig wirkt. Morins Mentorin ist eine Künstliche Intelligenz namens Leona (Yodit Tarikwa), die rund um die Uhr darauf achtet, dass sein Tun und Streben ausschließlich der Akademie gilt. Morins Vater Steven (Frederic Linkemann) beobachtet das mit Sorge. Mutter Katja (Marlene Morreis), eine karriereorientierte KI-Entwicklerin, glaubt hingegen, dass man für seine Ziele Opfer bringen muss.
Morin: Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD