Die mobile Raumeinheit kommt hin, wo sie gebraucht wird. Foto: Lohrmanarchitekt

Ein Architekturbüro in Stuttgart Nord hat eine mobile Raumeinheit entwickelt, die als Hilfsstation in Krisengebieten fungieren soll. Für die Idee wurde Lohrmannarchitekt nun als Kultur- und Kreativpilot Deutschland nominiert.

S-Nord - Es ist einer jener trägen Lockdown-Abende zuhause, mentale Windstille, im Fernsehen läuft die x-te Talkshow zum Thema Corona. Da fällt plötzlich ein Satz, der Stefanie Larson und Holger Lohrmann elektrisiert, Gedanken in Gang setzt: „Was wir jetzt brauchen, sind mobile Einheiten“ – flexibel einsetzbar in Krisengebieten, wo ärztliche Hilfe gebraucht wird. Mobile und modulare Architektur – das war doch ihr Thema.

Hatte doch ihr Büro Lohrmannarchitekt bereits modulare Ferienhäuser mit hohem Vorfertigungsgrad gebaut und sich mit fahrbaren Räumen befasst und das Lab 1886 entwickelt: ein Container-Truck, der sich hydraulisch zu einem 80 Quadratmeter großen, rundum verglasten Büro aufklappen lässt. Im Grunde, dachten sich das Ehepaar Larson und Lohrmann, müsse man diese Ideen jetzt ausbauen. Während des Lockdowns war dafür genug Zeit.

Wie ein Klappbett

„Wir wollten uns mit unseren Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre während der Pandemie helfend einbringen“, sagt Stefanie Larson, zuständig für Unternehmenskommunikation und Markenarchitektur in dem Architekturbüro, das sie mit ihrem Mann führt.

Das Paar machte sich an die Planungsarbeit, entwickelte eine Art Tausendsassa-Architektur: auf einem Truck zu einem beliebigen Ort gebracht, lässt sie sich wie ein Klappbett zu einer Grundfläche von 120 Quadratmetern auseinanderfalten. Je nach Ausstattung kann sie als Krankenstation, OP-Saal oder etwa als Corona-Testlabor fungieren. Ein wichtiger Aspekt ist die einfache Handhabung – ein automatisierter, hydraulischer Aufbau. Als Krankenstation wäre Platz für sechs Behandlungsplätze, ein Warteraum und zwei Laborplätze, erläutert Lohrmann. Aufs Dach könnten Solarpanels oder Wasserspeicher.

„Die Corona-Pandemie ist nur exemplarisch für all die Situationen, die uns noch bevorstehen“, sagt Larson. Ihr mobiler Raum könnte überall hinkommen – zu einer Brandkatastrophe wie in Moria oder in Gebiete, wo Feuer, Wasser, Beben und andere Naturereignisse die Infrastruktur zerstört haben. Er würde angepasst an den jeweiligen Notfall, ausgestattet mit einer anspruchsvollen und durchdachten Spezialausstattung. „Man könnte sich aber auch einfach einen Arzt vorstellen, der mit seiner fahrenden Praxis im ländlichen Raum unterwegs ist, wo die Versorgung nicht so gut ist“, sagt Larson. Dank der Erfahrungen aus zurückliegenden Projekten – etwa im Olgäle – wurde die Idee einer medizinischen mobilen Raumeinheit rasch zum vorzeigbaren Projekt. Nun muss sie ihren Nutzer finden: „Wir haben das Theater geschaffen. Jetzt brauchen wir das Stück dazu“, sagt der Architekt Holger Lohrmann.

Helfen in der Krise

Bei der Suche sind Larson und Lohrmann rasch an Grenzen gestoßen: „Überall war landunter. Die zuständigen Ministerien und die Kliniken hatten mit Corona gerade andere Sorgen“, berichtet Larson. Das Ehepaar bewarb sich bei den Kultur- und Kreativpiloten Deutschland, um so ihr Projekt zu puschen. Die Initiative der Bundesregierung zeichnet jährlich Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft aus und gibt ihren Projekten diverse Starthilfen an die Hand. Larsons und Lohrmanns mobile Raumeinheit ist nun eine von 104 Ideen, die aus insgesamt 1170 Bewerbungen nominiert wurden.

„Die aktuelle Lage verdeutlicht, wie wichtig es ist, im Katastrophenfall schnell und zielgerichtet handeln zu können, und wie entscheidend dann Flexibilität und Mobilität sind“, heißt es in der Begründung der Jury. Das Stuttgart Büro wolle „seine Expertise zur Konzeption und Umsetzung mobiler Architekturen in Zusammenarbeit mit dem Sonderfahrzeugbau auf medizinische mobile Raumeinheiten übertragen“. In den kommenden Wochen trifft die Kulturpilotenjury ihre Entscheidung und wird 32 Projekte auszeichnen.