Aus nachwachsenden Materialien geschaffen – das vielfach ausgezeichnete Mehrfamilienhaus vom Stuttgarter Architekturbüro Kaiser Shen. Foto: Brigida González

Häuser aus Altmaterial, Dachaufbauten aus Holz, Kindergärten aus experimentellem Baustoff – ein Bildband zeigt, wie originell und ökologisch Studierende und Architekten in Stuttgart und anderswo entwerfen und bauen.

Energie gewinnen, indem man das Wehen des Windes verwendet. Das ist eine so poetische wie in der Realität ja längst angewendete Technik – ganz ohne radioaktive Brennstoffe, die irgendwann irgendwo entsorgt werden müssen. Doch auch Windräder halten nicht ewig. Das Team von Rethink*rotor, bestehend aus OX2architekten aus Aachen und dem Fachbereich Architektur an der Hochschule Darmstadt denkt darüber nach, wie Abfallprodukte aus der Wind-Energiebranche weiter verwendet werden könnten.

 

Alte Rotorblätter beispielsweise werden bisher nur teuer und durch „umweltschädliche Verfahren“ auseinandergeschnitten und recycelt. Besser wäre es, die riesigen Rotorblätter anderweitig einzusetzen, als Lärmschutzwände etwa oder als schwimmende Inseln.

Derlei Überraschendes, Erhellendes ist in dem im Stuttgarter Verlag AV Edition erschienenen Buch „Sustainable“ (nachhaltig) zu entdecken. Das Werk versammelt Beispiele zukunftsfähiger Entwürfe und Bauweisen aus den Bereichen Architektur und Design. Städtebauideen wie der Rahmenplan Stuttgart Rosenstein von asp Architekten und Koeber Landschaftsarchitektur sind darunter.

Ein Wohndach aus Recyclingmaterial

Forschungsprojekte werden präsentiert, etwa zur Mikro-Klimaverbesserung mit Hilfe von Leichtbaustrukturen, wie sie an der Staatlichen Kunstakademie in Stuttgart erprobt werden, auch innovative Konstruktionen aus Naturfasern (erforscht von Universitäten in Stuttgart und Kopenhagen). Es finden sich auch Studierenden-Projekte, die so weit gediehen sind, dass man ihnen gleich eine serielle Fertigung im großen Stil wünscht. Etwa dem preisgekrönten RoofKIT, entstanden am Institut für Technologie KIT der Technischen Hochschule in Karlsruhe. Es handelt sich um ein größtenteils aus gebrauchten Baustoffen entstandenes Modul, das sich zur Aufstockung von Gebäuden und damit zur Schaffung von Wohnraum eignet.

Gebautes findet sich im Buch ebenfalls. Umbauprojekte wie der vielfach prämierte Kulturbahnhof in Aalen von a+r Architekten aus Stuttgart, die Sanierung (und der Neubau als Holzhybridbau) des Hölderlin Hauses in Nürtingen von Aldinger Architekten aus Stuttgart. Neubauten wie ein Kindergarten aus wärmedämmendem Infraleichtbeton von sbp / schlaich bergermann partner aus Berlin werden in Text und Bildern vorgestellt sowie Cradle-to-Cradle-Bauten wie die Feuerwehr in Straubenhardt von Wulf Architekten aus Stuttgart. Das Gebäude wurde ressourcenschonend so gebaut, dass die Bauteile auseinanderbaubar und anderweitig verwertbar sind.

Materialeinsparung und Ressourcenschonung war das Ziel bei dem Cradle-to-Cradle-Bau in Straubenhardt. Der flächenökonomische Sandwich-Aufbau ist von außen klar ablesbar: unten Beton, in der Mitte Holz, oben Metall. Foto: Brigida González für Wulf Architekten

Von Behnisch Architekten ist der Science and Engineering Complex der Harvard Universität in den USA mit seiner innovativen Fassade mit optimiertem Lüftungsbedarf mit von der Partie. Denn nicht nur im Bau, auch im Verbrauch sind Gebäude CO2-intensiv. Bei diesem Gebäude indes werden CO2-Emissionen „voraussichtlich um bis zu 50 Prozent geringer ausfallen als die eines Vergleichsgebäudes.“

Eine von bez+kock Architekten aus Stuttgart geplante Schule in Rinteln (Nordrhein-Westfalen) wiederum ist mit einer Fassade aus Lärchenholz aus dem Forstbetrieb des Bauherrn geschlagen, das verringert auch Transportwege beim Bauen. Mit einem Holzbau (dem Logl Bildungszentrum in Weil der Stadt) und einem Umbau (die Alte Kelter in Kirchheim am Neckar) sind die Stuttgarter Lohrmann Architekten doppelt vertreten. Atelier Kaiser Shen aus Stuttgart ist mit dem mit Strohballen gedämmten Mehrfamilienhaus nahe Heilbronn mit dabei.

Kauffmann Theilig & Partner aus Ostfildern haben für Chemoform in Wendlingen am Neckar eine Lagerhalle abgebaut und „das gesamte Abbruchmaterial wurde sorgsam getrennt und sortiert, wovon ein Teil zerkleinert und als Tragschicht unterhalb der Bodenplatte wiedereingebaut wurde.“ Blocher Partner aus Stuttgart haben ein innenarchitektonisches Projekt für einen Laden mit Restaurant in Kaprun in Österreich geplant und ausschließlich sortenreine und recycelte Materialien verwendet, die wieder demontierbar sind.

So geht es mit architektonisch beeindruckenden Beispielen aus der ganzen Welt von Berlin bis Sansibar fort und fort. Ein Buch, das zeigt, wie Entwerfen und Bauen doch noch zukunftsfähig gelingen kann. Machen muss man es halt.

Info

Buch
Andrea Herold, Tina Kammer: Sustainable. Architecture & Design 2023/2024. Texte auf Deutsch und Englisch. Verlag AV-Edition. 248 Seiten, 250 Fotos und Pläne, 59 Euro.