Ieoh Ming Pei 2006 vor der Pyramide am Haupteingang des Pariser Louvre Foto: AFP

Der New Yorker Architekt Ieoh Ming Pei starb im Alter von 102 Jahren

New York - Wenn Philip Johnson, der Herold des International Style, wenn Robert Venturi, Spiritus Rector der postmodernen Architektur, oder wenn Peter Eisenman, Protagonist des architektonischen Dekonstruktivismus, in Gazetten, Ausstellungen, Vortragsreisen und Symposien mit Aplomb ihre jeweiligen Heilslehren verkündeten, lächelte Ieoh Ming Pei freundlich – und baute, baute, baute. Der in einer amerikanischen Schule in Schanghai ausgebildete Spross einer einflussreichen chinesischen Familie war 1935 zum Architekturstudium in die USA gekommen und hatte die von Ludwig Mies van der Rohe und Walter Gropius (bei dem er Assistant Professor und Büromitarbeiter war) propagierte Moderne verinnerlicht. Hinfort war er gegen alle anderen Stileinflüsse, neue Strömungen und Architekturmoden immun. 1949, in den Zeiten großer Umbrüche in China, beschloss er, in den USA zu bleiben, erwarb 1955 die amerikanische Staatsbürgerschaft und gründete sein erstes Büro. Es gelang ihm, in die entscheidenden Kreise der potenziellen Bauherren an der Ostküste aufzusteigen. Insbesondere, als er die Gunst Jacqueline Kennedys gewann und von ihr 1964 beauftragt wurde, die Gedenkbibliothek ihres Mannes zu bauen, war er in der amerikanischen Oberschicht fest etabliert.

Zum Erfolg in prestigebewussten Kreisen trug bei, dass er die puristische Mies- und Gropiusmoderne um emotionale Erfahrungen zu erweitern wusste. Er schwelgte in Raum und Licht und schuf signifikante, ikonische Großformen. Das National Museum in Washington, ein erstes Hauptwerk, entworfen 1968, zeigte schon die Tendenz zu dramatischen Räumen und ausgeprägten Großformen. Doch was ihn von berühmten Kollegen wie Frank O. Gehry oder Rem Koolhaas unterschied, war seine Treue zum modernen, rationalistischen Formenkanon und seine Rücksichtnahme auf den Kontext. Nie setzte er einen Alien als selbstbewusste Eigenmarke in die Welt, sondern seine Bauten fügen sich ein, kommunizieren mit der Umgebung und den Menschen. Er prägte auch keinen eigenen, wiedererkennbaren Stil. Diese Bescheidenheit, den meisten „Stararchitekten“ fremd, wurzelte zutiefst in der kulturellen Prägung durch die chinesische Philosophie.

Tiefe Prägung durch die chinesische Kultur und Philosophie

Wo nötig, konnte er auch auftrumpfen, etwa 1982-90 bei der Bank of China in Hongkong, einem von Dreiecken in Grund und Aufriss dominierten, 315 Meter hohen Hochhaus, das als höchstes Gebäude Asiens lange Zeit die Skyline von Hongkong beherrschte und noch heute aus der ringsum nachgewachsenen Turmfamilie heraussticht.

Endgültig auch in breiter Öffentlichkeit bekannt geworden ist Pei schließlich 1989 mit der gläsernen Pyramide im Ehrenhof des Pariser Louvre. Wieder gelang es dem Architekten, ein Baukunstwerk zu schaffen, das vor allem durch den meisterhaften Umgang mit Licht und Raum zum Architekturerlebnis wird. Was anfänglich von Architektenkollegen und Denkmalschützern heftig befehdet wurde, ist neben der Mona Lisa zur Attraktion des Museums geworden.

Mini-Louvre in Berlin: der Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums

Längst war er aus seinem großen Kommerzbüro ausgeschieden, um nur noch seinen eigenen Projekten nachzugehen. Längst nahm er nicht mehr an Wettbewerben teil, sondern ließ sich zu neuen Aufträgen überreden. So auch beim Deutschen Historischen Museum in Berlin, dessen Erweiterungsbau 2003 eröffnet wurde. Es waren der Publizist Wolf Jobst Siedler und der Gründungsdirektor des Museums Christoph Stölzl, die das Ohr des Kanzlers hatten und ihn dazu bewogen, Pei mit dem Berliner Großprojekt direkt zu beauftragen. Peis monumental-moderner Bau mit der spektakulär geschwungenen Glaswand und dem kapriziösen gläsernen Treppenhaus wurde von den Berlinern trotz gewisser gestalterischer Ungereimtheiten und funktionaler Mängel tapfer als eine Art Mini-Louvre gefeiert.

In Katar, bei der Eröffnung des Museums für Islamische Kunst 2008 in Doha, war Pei bereits 91 Jahre alt. Neuerlich brillierte er durch seinen meisterhaften Umgang mit Licht und Schatten, Raum und Material, diesmal als Neuinterpretation arabischer Baukunst, die er zuvor eingehend studiert hatte. Es war der letzte in der langen Reihe seiner Museumsbauten. Am Donnerstag ist Ieoh Ming Pei in New York im Alter von 102 Jahren gestorben.