Archäologen am Strand von Le Rozel in der Normandie suchen nach Artefakten von Neandertalern. Foto: Dominique Cliquet

Es ist ein einzigartiger Schnappschuss aus dem Leben der Neandertaler: Forscher finden in der Normandie Hunderte Fußabdrücke. Daraus leiten sie etliche Schlüsse ab – und einen überraschenden Befund: Neandertaler waren die ersten Schuhmacher der Geschichte.

Le Rozel - Hunderte Fußspuren an einem Strand der Normandie in Nordfrankreich geben Einblick in das Sozialleben und die Größe von Neandertalern. Die Analyse der etwa 80 000 Jahre alten Abdrücke deutet darauf hin, dass die nächsten Verwandten des modernen Menschen ähnlich wie heutige Jäger und Sammler in kleinen Gruppen lebten.

Überraschender sind jedoch die Zahl der Kinder und der Befund, dass einzelne Individuen deutlich größer waren als bisher bekannt. Die Fußabdrücke bei Le Rozel im französischen Departement Manche böten einen einzigartigen Schnappschuss aus dem Leben der Neandertaler, schreibt das Team um Dominique Cliquet von der Universität Rennes in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS).

Mehr als 200 fossile Fuß- und Handabdrücke gefunden

Am Rand des 250-Einwohner-Ortes Le Rozel befindet sich die paläontologische Forschungsstätte, die seit dem Jahr 1960 bekannt ist. Damals hatte ein Hobbyarchäologe Steinwerkzeuge und Anhäufungen von fossilen Knochen in den Dünen entdeckt. 1969 fand eine erste Probegrabung statt.

Seit 2012 wird die 100 mal 50 Meter große Grabungsfläche unter Leitung von Dominique Cliquet vom Musée d’Art, Histoire et Archéologie d’Evreux systematisch erforscht.

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Frühmenschen fertigten bereits Schuhe

Die Häufung von Neandertaler-Spuren in Le Rozel ist weltweit einzigartig. Aus Zeit zwischen 110 000 und 20 000 Jahren wurden bis heute mehr als 20 000 Artefakte und Tierknochen geborgen. Die bedeutendsten Funde sind mehr als 200 rund 70 000 Jahre alte fossile Fuß- und Handabdrücke, die vorwiegend von sehr jungen und jugendlichen Neandertaler stammen.

Einige Abdrücke lassen auf die Verwendung von leichtem Schuhwerk schließen. Die Neandertaler wickelten sich Tierfelle oder Häute um die Füße, damit sie vor Kälte, Dornen oder spitzen Steinen geschützt waren.

An rund 100 000 Jahre alten Steinwerkzeugen wurden nach Klebereste von Eichenrindeextrakt gefunden. Der Stoff wird noch heute zum Gerben von Leder und zur Herstellung wasserdichter Schuhe benutzt. Die Einzelteile nähten die Frühmenschen zusammen und bohrten in das Leder mit spitz zulaufenden Werkzeugen Löcher.

Zeitalter des Neandertalers

Bis vor rund 42 000 gehörte Europa dem Neandertaler, der zwischen 450 000 und 40 000 die Steppen und Höhlen Süd-, Mittel- und Osteuropas bevölkerte. Der ausgestorbene Verwandte des heutigen Menschen entwickelte sich in Europa – parallel zum modernen Menschen in Afrika – aus gemeinsamen afrikanischen Vorfahren der Gattung „Homo“.

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Ab rund 45 000 wurde er mit einer verwandten Spezies konfrontiert, die bis dahin im fernen Afrika und im Nahen Osten gelebt hatte – dem anatomisch modernen Menschen. Wie die Begegnung ablief, wie oft sich ihre Wege kreuzten und inwieweit der Mensch am Aussterben des Neandertalers beteiligt war, wissen wir nicht.