Die frisch ergänzte mutmaßliche Bärenfigur ist 3,99 Zentimeter lang und 2,49 Zentimeter hoch. Foto: dpa/Stefan Puchner

Eine Neuentdeckung in der Welterbe-Höhle „Hohle Fels“ verblüfft die Archäologen. Was aber am Fundplatz Vogelherd passiert, bezeichnet Grabungsleiter Conard als „skandalös“.

Ein länglicher, schlanker Tierkopf, angedeutete Nüstern: Ein Pferdekopf, ganz klar. So dachten Wissenschaftler seit rund 20 Jahren über einen Fund aus Mammutelfenbein, der in der Höhle Hohle Fels bei Schelklingen (Alb-Donau-Kreis) gemacht wurde. Das Artefakt war seither Teil des in Tübingen verwahrten eiszeitlichen „Zoos“ mit seinen diversen Tierfiguren.

Trottend, nicht galoppierend

Bis am 6. Juni vergangenen Jahres bei Grabungen in der Höhle weitere verdächtige Bruchstücke mit feinen, gravierten Linienmustern entdeckt wurden. Sie passen an den Kopf, bilden rechte Schulter und Brustkorb. Noch ein weiterer, bisher unverbundener Teil der rechten Körperseite wurde entdeckt. Zusammengesetzt ist die auf ein Alter von rund 35 000 Jahren taxierte Elfenbeinfigurine allerdings kein Pferd mehr, sondern das Abbild eines massiven Bären mit Buckel in Schulterhöhe. Die Körperhaltung: trottend, nicht galoppierend.

„Es kommt selten vor, dass wir Bären, Löwen und Pferd verwechseln“, sagte am Donnerstag der Tübinger Universitätsprofessor und Chefausgräber Nicholas Conard bei der Präsentation des Fundes in Blaubeuren. Sich korrigieren zu müssen, gehöre aber zum Geschäft. Die neu zusammengepuzzelte Figurine wird nun im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren ausgestellt. Über den Fund berichtet aktuell die Publikation „Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg“, die das Landesamt für Denkmalpflege herausgibt.

Schwere Enttäuschungen im Kreis Heidenheim

Conards Freude ist getrübt durch Vorgänge um den zweiten berühmten Fundort in Baden-Württemberg, die Vogelherd-Höhle im Kreis Heidenheim. Dort befindet sich das Freilichtmuseum „Archäopark“. Ende vergangenen Jahres schloss die Schau turnusgemäß für die Winterzeit – und öffnete dieses Frühjahr nicht mehr. Nicht zuletzt während der Coronazeit hatten sich die Verluste aufgetürmt, die Stadt Niederstotzingen, auf deren Gemarkung die Höhle im Lonetal liegt, errechnete ein Kostenrisiko von 300 000 Euro jährlich. Versuche, das Museum in die Trägerschaft des Landes zu geben, scheiterten.

Zur verfahrenen Lage um diese weitere Unesco-Höhle befragt, sagte der Universitätsprofessor Conard am Donnerstag: „Ich finde das skandalös.“ Für ihn sei es „die größte Enttäuschung meines Berufslebens, dass das Land nichts für den Archäopark tut.“ In Bezug auf die Bewahrung der Elfenbeinfunde aus Baden-Württemberg, bei denen es sich um die früheste bekannte Kunst der Menschheitsgeschichte handle, sei „die ganze Entwicklung in Baden-Württemberg katastrophal“.

Kommunen und Ehrenamtliche geben auf

Die Schließung des Archäoparks hat bereits ernste Folgen. Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, zieht sich der Landkreis Heidenheim aus der Arbeitsgemeinschaft Weltkultursprung zurück. In den vergangenen zehn Jahren unterhielt der Kreis zusammen mit der Stadt Ulm und dem Alb-Donau-Kreis eine mit zwei Mitarbeitenden besetzte Geschäftsstelle mit Sitz in Ulm, um die touristische Vermarktung aller Welterbe-Höhlen voranzubringen. Das Büro soll zunächst weiterarbeiten. Offen ist die Zukunft des Heidenheimer Fördervereins Eiszeitkunst, der für den Archäopark bisher Spendengelder in Millionenhöhe sammelte. Dem Vernehmen nach haben viele Ehrenamtliche enttäuscht aufgegeben.