Das in Bissingen gefundene Kreuz aus Goldblech weist den bestatteten Krieger als frühen Christen und Mitglied der damaligen Oberschicht aus. Foto: Horst Rudel

In Bissingen unter der Teck sind Archäologen bei der Erfassung einer frühmittelalterlichen Siedlung auf das unberührte Grab eines Kriegers gestoßen. Der Mann war vor rund 1400 Jahren in voller Kampfausrüstung bestattet worden.

Bissingen - Für die Archäologen ist es wie ein Sechser im Lotto gewesen. Bei Rettungsgrabungen im Ortszentrum von Bissingen/Teck sind die Fachleute des Esslinger Landesamts für Denkmalpflege auf das unberührte, reich ausgestattete Grab eines Mannes aus dem frühen 7. Jahrhundert gestoßen.

Der Krieger, der vor rund 1400 Jahren dort bestattet worden war, dürfte nicht nur eine für die damalige Zeit stattliche Körpergröße von 1,78 Meter gehabt haben. Er muss unter seinen Zeitgenossen in der frühmittelalterlichen Siedlung unter der Teck auch eine herausragende Stellung eingenommen haben. Da ist sich Jonathan Scheschkewitz von der archäologischen Denkmalpflege Baden-Württemberg ganz sicher. „Er war derjenige, der im Ort das Sagen gehabt hat“, sagt der Archäologe, der die Funde am Dienstag gemeinsam mit seiner Kollegin Dorothee Brenner in Esslingen der Presse vorgestellt hat.

Der Krieger stammt aus der Oberschicht

Dass der bei seinem Tod rund 40 Jahre alte Krieger, auf dessen letzte Ruhestätte die Archäologen schon Ende Juni des vergangenen Jahres gestoßen waren, der Oberschicht angehört hatte, belegen die reichen Grabbeigaben. „Der Mann ist mit seiner vollständigen Waffenausstattung beigesetzt worden“, sagt Dorothee Brenner, die wissenschaftliche Grabungsleiterin. Neben dem Langschwert haben dazu noch ein einschneidiges Kurzschwert, eine Lanze, ein Schild und ein aufwendig gearbeiteter Gürtel gehört.

Ein neben dem linken Fuß gefundener Sporn und ein reich verziertes Pferdegeschirr kennzeichnen den Mann als Reiter. Ein ebenfalls in der 2,70 mal 1,30 Meter großen Grabkammer gefundenes fein gearbeitetes Kreuz aus Goldblech belegt, dass es sich um einen frühen Christen gehandelt haben muss. Das mit Punktbuckeln gezeichnete Kreuz, etwas mehr als sechs Zentimeter lang und 3,2 Gramm schwer, wurde nach Einschätzung der Archäologen eigens für die Bestattung gefertigt. „Mit dem Kreuz ist vermutlich das Tuch geschmückt worden, mit dem das Gesicht des Toten abgedeckt war“, sagt Jonathan Scheschkewitz, der den Fund als sicheren Beleg für das aufkommende Christentum wertet.

Die Funde werden in Handarbeit restauriert

Dem alten heidnischen Bräuchen gezollt waren dagegen die Speisebeigaben, die in einer Bronzeschüssel und in einem kleinen Tongefäß aufbewahrt waren. Sie sollten dem Mann als Wegzehrung auf der Reise ins Totenreich dienen. „Mit den reichen Beigaben wollten die Hinterbliebenen den Status des Toten im Jenseits unterstreichen, aber auch ihren eigenen gesellschaftlichen Rang demonstrieren. Das war in einer Zeit des Umbruchs, als sich das Christentum bei den Alamannen etabliert hat, sicher besonders wichtig“, sagt Scheschkewitz.

Dass unter den Bissinger Hausgärten, die jetzt im Zuge der Innenverdichtung bebaut werden, eine frühe Siedlung liegen könnte, hatten die Archäologen schon vermutet. Eine Prospektion im vergangenen März hat den Verdacht erhärtet. Im Frühjahr und Sommer sind die Befunde dann im Rahmen einer großflächige Rettungsgrabung gesichert worden. Die im historischen Zentrum der 3400 Einwohner zählenden Gemeinde gelegene Siedlung war im frühen Mittelalter, noch vor der ersten schriftlichen Erwähnung des Orts im Jahr 769, angelegt worden. Das Grabungsteam hat die Überreste von größeren Pfostengebäuden und von kleineren, halb in den Boden eingetieften Grubenhäusern gefunden. Ofenstrukturen, Schlacke und verbrannte Erdschichten zeugen von einer frühen Eisenverarbeitung.

Derzeit werden die Bissinger Funde in den Werkstätten des Landesamts für Denkmalpflege in mühevoller Handarbeit restauriert. „In zwei Jahren sind wir so weit, dass wir die Funde ausstellen können“, sagt die Werkstattleiterin, Nicole Ebinger-Rist. Dann, so hofft der Bissinger Bürgermeister Marcel Musolf, könnte der Krieger wenigstens für ein paar Tage wieder in seine alte Heimat unter der Teck zurückkehren.