Reinhold Feigel liebt Ausgrabungen, sondieren darf aber auch er nur mit ausdrücklichem Auftrag. Foto: Gottfried /toppel

Reinhold Feigel ist seit Jahren ehrenamtlich als Archäologe aktiv. Er erkennt mit geübtem Auge schon auf der Erde, was sich darunter an Schätzen verbergen könnte.

Das grüne Meer aus jungen Weizentrieben ist durchzogen von vertrockneten Sprösslingen. Gelb zeichnen sie sich als Reihen ab, ein Stück weiter formen sie Kreise. Die farbigen Spuren auf dem Getreidefeld führen in die Vergangenheit. Reinhold Feigel kennt und erkennt sie: Hunderte Luftbilder hat der Backnanger Hobbyarchäologe für das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) gesichtet und nach derartigen verräterischen Bodenmerkmalen gesucht.

Könnte sich unter den gelben Reihen ein Lager der Römer befunden haben? Vielleicht. „Man nennt das negatives Bewuchsmerkmal“, erklärt der 75-Jährige. „Manche Pflanzen auf einem Feld trocknen schneller als andere, weil sich vielleicht tiefer im Boden Reste einer Mauer oder eines Fußbodens befinden.“ Wenn Pflanzen dagegen schneller reiften als ihre Nachbarn auf dem Feld, könnten sich dort einst Gräben, Vorrats- oder Abfallgruben oder Ähnliches befunden haben. So lassen sich verschüttete vorzeitliche Anlagen aufgrund ihres Einflusses auf die Vitalität der darüber wachsenden Vegetation erkunden.

Luftbilder geben Hinweis auf Befunde

Wie viele Stunden, besser gesagt Tage und Nächte Feigel über den Luftbildern gebrütet hat, kann er nicht sagen. 300 000 Luftbilder besitzt das LAD. Er hat unzählige auf mögliche Befunde geprüft und Akten angelegt. Auch mit Kleindenkmalen wie Grenzsteine, Wegkreuze oder Ruhbänke hat er sich im Dienste des Amtes und der Forschung beschäftigt, allein rund 10 000 Fotos dieser von Menschen geschaffenen Zeugen der Vergangenheit digitalisiert.

Am liebsten aber ist Feigel draußen bei Grabungen im Einsatz. „Begeistert hat mich die Archäologie schon immer“, sagt er. Nichts gegen Reisen. „Rom ist schön anzuschauen, was da alles noch zu sehen ist. Aber die Archäologie will in den Boden runter“, sagt er. „Mich interessiert, was hier ist und welche Geschichte dahintersteckt.“ Ausreichend Zeit, sich seinem Hobby zu widmen, hat der gelernte Elektroingenieur seit dem Vorruhestand 2004. Das Wissen, das er sich unter anderem durch die Lektüre sogenannter Grabungsbücher angeeignet hat, setzt er in die Tat um. „Richtig los ging es in Güglingen bei einer Lehrgrabung der Gesellschaft für Archäologie Baden-Württemberg, damals haben wir eine römische Siedlung ausgegraben und die Funde dokumentiert.“ Fortan hat ihn das Fieber nicht mehr losgelassen. Zahlreiche Grabungen begleitete Feigel zunächst als ehrenamtlicher Helfer. Etwa im Hallschlag bei Bad Cannstatt, wo er auch das Skelett eines Kriegers, dem der Schädel gespalten war, freilegte.

Baggerführern über die Schulter schauen

2008 wird Feigel dann offiziell zum ehrenamtlich Beauftragten der archäologischen Denkmalpflege für Backnang bestellt. Seither führt er Sondierungen durch, leitet Ausgrabungen sowie Rettungsgrabungen. „Wenn bei Neubauvorhaben davon ausgegangen wird, dass sich historisch wertvolle Fundstücke im Erdreich befinden könnten, werde ich zur Baubeobachtung gerufen, sobald es bei den Arbeiten in den Boden geht. Dann schaue ich dem Baggerführer über die Schulter und weise ihn an, damit er nichts versehentlich zerstört.“

Wenn etwas gefunden wird, werden die Arbeiten unterbrochen, Archäologen übernehmen die Baustelle, um die Funde für die Nachwelt zu sichern. „Alles wird genaustens dokumentiert, kartografiert und dann eingelagert, damit die Informationen nicht verloren gehen und in Zukunft jemand auf dieses Wissen zugreifen kann, wenn er zum Beispiel an dem Thema forscht“, sagt Feigel.

Krieger werden mit Waffen beerdigt, Frauen mit Schmuck

Bagger kommen übrigens auch bei geplanten Ausgrabungen zum Einsatz – allerdings meist zu Beginn. Mit seiner Schaufel werden etwa 20 bis 50 Zentimeter Humusschicht abgetragen, danach geht es mit der scharf geschliffenen Ziehhacke und zunehmend kleinerem Besteck von Hand weiter. „Wir ziehen sorgsam den Boden ab und schauen nach Verfärbungen der Erde.“ Vorzeitliche Abfallgruben, aber auch Keller samt Inhalt blieben erhalten, weil sie vor Jahrhunderten vom Regen zugeschlemmt wurden und der Inhalt so die Zeit überdauert hat. Mit Glück fänden sich dort Knochenreste, Keramik, Steinwerkzeuge, meist aus Feuerstein und vieles mehr. Die Chance auf prunkvollere Fundstücke wachse dagegen, wenn man ein Grab findet: „Krieger wurden oft mit ihren Waffen, Frauen mit ihrem Schmuck beerdigt.“ Ihn selbst freue es besonders, wenn er ein personalisiertes Stück Geschichte findet; eine Keramikscherbe mit eingeprägten Initialen des Töpfers zum Beispiel.

Wo sind die Brennöfen von Buoch?

Nicht immer sind die Ausgrabungen vom erwarteten Erfolg gekrönt. „In Buoch suchen wir immer noch nach den vielen Töpfereien, mit der die Buocher Ware, eine besonders hart gebrannte Keramik, hergestellt wurde.“ Mehr Glück hatten er und seine Helfer bei der anderthalbjährigen Grabung in Welzheim am Westkastell. „Dort gab es Zigtausende Fundstücke, darunter eine Terrakottafigur aus dem 16. Jahrhundert, einen Kienspanhalter aus dem 19. Jahrhundert und sogar verschiedene Gegenstände aus Glas.“ Das Grabungsfeld hatte eine Größe von 50 mal 40 Metern. Sogar Teile eines Pferdefuhrwerks fanden die Archäologen dort, wo jetzt eine Rossmann-Filiale steht. Dass Grabungsstätten durch Neubauvorhaben zerstört werden, falle nicht immer leicht, gesteht er. Doch das Leben gehe weiter, und auch die Suche. Aktuell begleitet Feigel Bauarbeiten in Murrhardt – und achtet genau auf jede Farbnuance unter der Baggerschaufel.