Die Erwartungshaltung der Gäste ist groß, in vielen Gastwirtschaften wird das Angebot aber reduziert, um die Arbeitszeiten der Mitarbeiter einzuhalten. Foto: dpa

Deutschland gilt als gastfreundliches Land. Doch immer mehr Gastwirte leiden unter starren Arbeitszeitregelungen und viel Bürokratie. Sie fordern mehr Flexibilität.

Stuttgart - Die Theateraufführung? Einfach sehenswert. Der Kinofilm? Super spannend. Die zwei Stunden im Fitnessstudio? Anstrengend, aber gut. Jetzt noch schnell ins Dorfgasthaus. Gut möglich, dass mancher alsbald vor verschlossenen Türen steht. Denn die Gastronomie in Baden-Württemberg kämpft mit dem Mindestlohngesetz und der damit verbundenen Erfassung der Arbeitszeiten. 92 Prozent der Betriebe, so ergab eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, bemängeln den bürokratischen Aufwand.

Noch mehr dürften aber andere Konsequenzen des Gesetzes wirken. Denn die Verpflichtung, Mitarbeiter nicht länger als höchstens zehn Stunden am Tag im Service oder in der Küche einzusetzen und dies auch schriftlich für die Kontrolleure zu erfassen, zieht in immer mehr Betrieben Konsequenzen nach sich. Wo bisher mancher Minijobber beschäftigt war, um sich neben der Acht-Stunden-Arbeit in der Fabrik am Abend noch etwas hinzuzuverdienen, geht das nicht mehr.

„Für zwei Stunden lohnt sich der Aufwand nicht“, heißt es. Und wo bislang der Gastronom seine Leute am Abend, wenn auch spät noch Gäste kamen und damit Umsatz garantiert war, erst verspätet in den Feierabend schickte, auf dass sie in den folgenden Tagen mal länger frei haben, geht auch das jetzt nicht mehr. Für Fritz Engelhardt, Landeschef des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), ist das eine fatale Entwicklung. „Wenn das Bankett eine Stunde länger dauert oder die Gäste noch was bestellen, können wir doch nicht einfach das Licht ausmachen.“

Mancher Wirt führt jetzt einen Ruhetag ein

Noch gehen die Lichter nicht aus, immerhin war das Jahr 2015 mit erstmals über 50 Millionen Übernachtungen im Land und guten Umsätzen in der Gastronomie eines der besten im Tourismus-Land Baden-Württemberg. Aber es mehren sich die Betriebe, die auf die verschärfte Gesetzeslage nun reagieren: Manch einer führt einen Ruhetag ein, andere reduzieren ihre Öffnungszeiten, wieder andere kürzen die Speisekarte oder schaffen den Mittagstisch ab, und es sind nicht wenige, die am Abend den Koch nun deutlich früher als sonst nach Hause schicken. Dann ist die Küche eben kalt.

Engelhardt und seine Kollegen appellieren deshalb mit großem Eifer an Politiker wie CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf und andere, sich auf Bundesebene für eine flexiblere Regelung einzusetzen. Der Vorschlag des Verbandes: Statt einer täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden eine wöchentliche von 48 Stunden einführen. Man müsse die Regelung „der Lebenswirklichkeit im Gastgewerbe anpassen“, sagt Engelhardt. Soll heißen: Wenn viel Betrieb ist, braucht man mehr Personal als morgens um elf. Gut 87 Prozent der in der Umfrage befragten Betriebe fänden eine flexible Regelung wichtig. „Es gibt inzwischen eine hohe Erwartungshaltung der Gäste“, sagt Engelhardt, „wenn da mal einer vor verschlossenen Türen steht, kommt er so schnell nicht wieder.“