Friseurinnen und Friseure würden vom Mindestlohn profitieren. Foto: dpa/Arne Dedert

Die Arbeitsminister stimmen für einen Vorschlag der EU-Kommission, der für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen soll.

Brüssel - Bei dem Wort Mindestlohn schrillen bei Wirtschaftsverbänden die Alarmglocken. Als die neue Ampelkoalition in Berlin jüngst ihre Pläne zur Erhöhung des Mindestlohnes auf zwölf Euro auf den Tisch legte, ertönte ein großes Protestgeschrei. Vertreter des Handels oder auch das Friseur- und Gebäudereinigerhandwerk warnten vor Preiserhöhungen für die Verbraucher und sogar einem möglichen Sterben der Betriebe.

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Doch nicht nur die künftige deutsche Regierung will sich für die unteren Lohngruppen stark machen, die bisweilen nur knapp über dem Existenzminimum verdienen. Auch die Europäische Union hat das Problem erkannt und will dagegen vorgehen. Aus diesem Grund haben die 27 EU-Staaten einem Gesetzgebungsvorhaben über verbindliche Mindestlöhne zugestimmt, verkündete am Montag der Ministerrat der Union.

Kontrollen und regelmäßige Berichte

Der Vorschlag sieht eine Stärkung der Tarifbindung und einen Rahmen für die Festlegung und Anpassung von Mindestlöhnen nach klaren Kriterien vor. Ferner sollen Kontrollen in Betrieben und regelmäßige Berichte der Mitgliedstaaten an die EU-Kommission über Tarifbindung und Höhe des Mindestlohns festgeschrieben werden. „Wir wollen keine zentralistische Festlegung von Mindestlöhnen“, präzisiert Dennis Radtke das Gesetzgebungsvorhaben. Der CDU-Europaparlamentarier ist sozialpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und hat maßgeblich an dem Bericht mitgearbeitet. Die EU wolle nicht die bestehenden Systeme infrage stellen, sagt er.

Solche Sätze können das Gemüt von Steffen Kampeter kaum besänftigen. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände geißelt in einer Stellungnahme „die europäische Mindestlohnbürokratie als eine Kompetenzanmaßung der Europäischen Kommission“. Deutschland besitze mit der Mindestlohnkommission ein etabliertes und sehr bewährtes Gremium, das über die Höhe des Mindestlohnes befinde.

Die Höhe des Mindestlohns ist in den Mitgliedsländern unterschiedlich. Nach EU-Angaben reicht er von monatlich 332 Euro in Bulgarien bis 2202 Euro in Luxemburg. Zudem gibt es nur in 21 der 27 Mitgliedstaaten einen gesetzlichen Mindestlohn. In den anderen Staaten wie etwa Österreich besteht allerdings meist eine hohe Tarifbindung, die auch vom Staat stark unterstützt wird.

Höhe des Mindestlohns variiert stark

Den Arbeitgeberverbänden sind nicht nur die Regelungen zum Mindestlohn ein Dorn im Auge. Wenig erfreut sind sie auch über die Vorgaben, die Tarifbindung auszuweiten. Regierungen werden von der EU in Zukunft aufgefordert, aktive Schritte in diese Richtung zu unternehmen, wenn weniger als 80 Prozent der Arbeitnehmer einen Tarifvertrag haben. Das ist in den meisten Staaten der Europäischen Union der Fall. In Deutschland ist diese Zahl rückläufig. Nach einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiteten im Jahr 2020 nur noch 43 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit einem Branchentarifvertrag. 2019 lag dieser Wert noch bei rund 46 Prozent.