Nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland dürfen Asylbewerber arbeiten – aber nur, wenn für die Stelle kein Deutscher zur Verfügung steht. Foto: dpa

Die Verfahrensdauer von Asylanträgen beträgt im Schnitt 7,1 Monate – obwohl die große Koalition sich drei Monate zum Ziel gesetzt hat. Eine neue Studie kritisiert mangelnden Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber.

Berlin/Güthersloh - Tajuddin Shaikh aus Pakistan würde gerne zum Wirtschaftswachstum in Deutschland beitragen. Er möchte arbeiten. „Aber gerade bleibt mir nichts anderes übrig, als wie ein Bettler zu leben“, sagt der 44-jährige Shaikh. Er hat nach eigenen Angaben vor fast zwei Jahren Asyl in Deutschland beantragt – und wartet seitdem auf eine Entscheidung.

Zwar hat eine Gesetzesänderung im November 2014 die Situation auf dem Arbeitsmarkt für Asylbewerber, die noch auf eine Entscheidung warten, verbessert: Das Arbeitsverbot wurde von neun auf drei Monate nach der Ankunft in Deutschland verkürzt. Aber bis zum 16. Monat besteht die Pflicht zur sogenannten Nachrangigkeitsprüfung – für das konkrete Stellenangebot dürfen keine deutschen Arbeitnehmer, EU-Bürger oder entsprechend rechtlich gleichgestellte Ausländer zur Verfügung stehen.

Trotz verkürztem Arbeitsverbot: „In der Realität ist der Zugang zum Arbeitsmarkt für diejenigen, die noch im Verfahren sind, extrem schwierig“, sagte Jürgen Wursthorn, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit,unserer Zeitung. Vielen Arbeitgebern sei das Risiko zu hoch, wenn der Aufenthaltsstatus noch ungeklärt ist. „Sie wollen sich nicht mit Menschen wie mir beschäftigen“, sagt Tajuddin Shaikh, „zu viel Papierkram.“

Die mangelhafte Integration von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt kritisiert die Bertelsmann Stiftung in einer Studie, die am Dienstag in Gütersloh vorgestellt wurde. „Wegen der langen Wartezeiten im Anerkennungssystem werden Energie und Initiative der Asylbewerber lange Zeit still gelegt“, so der Migrationswissenschaftler und Verfasser der Studie Dietrich Thränhardt. Damit könnten Asylbewerber weder zur Entwicklung des Einwanderungslandes beitragen noch Angehörigen im Herkunftsland helfen, so – und dass, obwohl zwei Drittel von ihnen im erwerbsfähigen Alter seien und Qualifikationen mitbrächten.

Auch Peter Kulitz, Präsident der Industrie- und Handelskammer Baden-Württemberg kritisiert: „Wir können es uns nicht leisten, diese Potenziale brachliegen zu lassen.“

Als Hauptursache für den mangelnden Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber sieht Migrationsforscher Thränhardt die lange Verfahrensdauer: 7,1 Monate vergehen im Schnitt zwischen Antragsstellung auf Asyl und einer ersten Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge – weit entfernt von den drei Monaten Verfahrensdauer, die sich die große Koalition in ihrem Vertrag zum Ziel gesetzt hat.

Joachim Rüffer kennt Fälle, in denen Asylbewerber trotz aller Schwierigkeiten einen Betrieb gefunden haben, der sie gerne einstellen würde – und dennoch nicht arbeiten durften. Rüffer ist Sozialarbeiter beim Bildungs – und Beratungszentrum für Beruf und Beschäftigung in Berlin. Oft fänden Flüchtlinge über Familienangehörige, die schon länger in Deutschland sind, Arbeitsangebote. Denn ein Angehöriger, der bereits Engagement bewiesen habe, sei für den Arbeitgeber „wie eine Garantie, dass der Cousin oder Bruder genau so gut arbeitet“, sagt Rüffer.

Aber die Zahl der Arbeitslosen in Berlin sei hoch und die Chance für Asylbewerber, die Nachrangigkeitsprüfung zu bestehen, dementsprechend gering. Wenn Menschen arbeiten wollen, sogar eine Stelle in Aussicht haben, und dann nicht dürfen, „empfinden sie das als klare Zurückweisung“, sagt Rüffer über die Fälle, die er aus seinem Arbeitsalltag kennt. „Die Menschen verstehen das häufig nicht und ihre Verzweiflung ist hoch.“ Die Studie der Bertelsmann Stiftung empfiehlt, die Nachrangigkeitsprüfung abzuschaffen und das Arbeitsverbot nach der Ankunft in Deutschland weiter zu verkürzen: auf einen Monat – statt bisher drei.

Als das Arbeitsverbot im Herbst 2014 auf drei Monate verkürzt wurde, wurden gleichzeitig vier Staaten als „sichere Herkunftsländer“ ernannt: Kosovo sowie Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien. Die Asylanträge von Flüchtlingen aus diesen Ländern sollen beschleunigt als unbegründet zurückgewiesen werden.

Am frühen Dienstagmorgen holten Polizisten 69 abgelehnte Asylbewerber aus unterschiedlichen Einrichtungen der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe ab, die der Aufforderung zur freiwilligen Ausreise nicht gefolgt waren. Sie wurden vom Flughafen Karlsruhe-Baden in einem Charterflug nach Pristina abgeschoben. Flüchtlingshilfsorganisationen wie Pro Asyl kritisieren, dass die Diskriminierung von Angehörigen der Roma-Minderheit beim Umgang mit Flüchtlingen aus den Balkanstaaten nicht genügend berücksichtigt werde.