Seit bald vier Jahren versucht die Gewerkschaft Verdi den US-Versandriesen Amazon mit Streiks zu Tarifverhandlungen zu zwingen. Unser Foto zeigt Streikende im Dezember 2014 in Leipzig. Foto: dpa-Zentralbild

Die Gewerkschaft Verdi will im Kampf um einen Tarifvertrag die Gangart gegen den US-Versandhändler Amazon verschärfen und setzt künftig grenzüberschreitende Streiks. Redakteurin Eva Drews bezweifelt, dass dies mehr Erfolg haben wird als frühere Aktionen.

Stuttgart - Die Schlagzeilen gehören schon zum Inventar der wiederkehrenden Nachrichten: „Bei Amazon in Leipzig wird wieder gestreikt“ oder „Advents-Streik bei Amazon an zwei Standorten“. Die neueste Überschrift aus dieser Reihe heißt nun: „,Synchronisierter Arbeitskampf’: Verdis neue Streiktaktik bei Amazon“. Seit fast vier Jahren versuchen die Gewerkschaft Verdi und ihre Mitglieder an den deutschen Standorten des US-Handelsriesen, Amazon dazu zu zwingen, einen Tarifvertrag abzuschließen und zwar nach den Bedingungen des Einzel- und Versandhandels. Amazon argumentiert, man zahle auch so schon Gehälter am oberen Rand – gemessen an den Bedingungen der Logistikbranche.

Je nach Lesart – ob vom Konzern oder der Gewerkschaft kommuniziert – waren es alleine 2016 bis zu 50 Streiktage an einem oder mehreren Standorten des Versandriesen. Doch mehr als Schlagzeilen und Fotos von Menschen mit Warnwesten und Plakaten vor Amazon-Schildern ist davon nicht zu merken – Amazons Pakete kommen pünktlich an, egal ob gestreikt wird oder nicht. Das bestätigen auch unabhängige Beobachter.

Amazon hat als US-Konzern eine besonders starke Allergie gegen Gewerkschaften

Denn drohen Streiks, greift der Konzern auf Saisonkräfte zurück oder weicht auf Lager in benachbarten Ländern aus. Bisher reagiert Verdi vor allem mit der Taktik, gezielt dort Arbeitsniederlegungen anzuzetteln, wo man von vielen Bestellungen und ausgedünnten Schichten weiß. Gegen das Ausweichen ins Ausland will Verdi nun in diesem Jahr mit multinationalen Streiks vorgehen. Und auch das wird aller Wahrscheinlichkeit nach weitgehend unbemerkt verpuffen.

Das hat mehrere Gründe: Der Amazon-Gründer und -Chef Jeff Bezos teilt wie die große Mehrzahl amerikanischer Unternehmen die ausgeprägte Abneigung gegen alles, was mit Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften zu tun hat. Zumal er seinen Konzern strikt nach dem Leistungsprinzipführt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet sein Unternehmen dem Drängen der Gewerkschaft nachgeben wird, ist verschwindend gering, zumal sich immer Ausweichmöglichkeiten finden: Wenn aus manchen Lagern in Tschechien, Polen und Deutschland nicht im vorgesehen Umfang geliefert werden kann, springen eben die Logistikzentren in einem anderen Nachbarland ein. Gegen multinationale Konzerne ist da wenig auszurichten.

Der technische Fortschritt arbeitet für Amazon

Zudem kann Amazon angesichts des technischen Fortschritts gelassen sein: Die Lager brauchen ohnehin immer weniger menschliche Bediener. Und die müssen auch nicht sonderlich qualifiziert sein. Da gleichzeitig die Zahl von Arbeitsplätzen für Unqualifizierte im hoch entwickelten Deutschland immer rarer werden, werden die Amerikaner zudem immer Willige finden, die als Saisonkräfte einspringen.

Sollte Verdi also schlicht aufgeben? Wohl ja – zumindest mit dieser Taktik. Informationen über die Arbeitsbedingungen bei Konzernen wie Amazon sind wichtig. Nur dann können die Verbraucher ihre Kaufentscheidung auch unter dem Aspekt fällen, welche Arbeitswelten sie mit ihrem Einkauf unterstützen oder auch nur tolerieren wollen. Im Vergleich zu den Streiks ist dies das schärfere Schwert.