Viele Arbeitslose versuchen, über die Zeitarbeit wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, doch die Beschäftigung in der Branche ist mit besonderen Risiken verbunden. Foto: dpa

Die Bundesagentur für Arbeit ist in die Kritik geraten, weil sie Arbeitslose oft in die Leiharbeit abschiebt. Dadurch stehen die Betroffenen zwar nicht mehr als Arbeitslose in der Statistik, geholfen ist ihnen damit aber trotzdem nicht: Für etwa die Hälfte der Leiharbeiter dauert ein Job nur drei Monate.

Die Bundesagentur für Arbeit ist in die Kritik geraten, weil sie Arbeitslose oft in die Leiharbeit abschiebt. Dadurch stehen die Betroffenen zwar nicht mehr als Arbeitslose in der Statistik, geholfen ist ihnen damit aber trotzdem nicht: Für etwa die Hälfte der Leiharbeiter dauert ein Job nur drei Monate.

Stuttgart/Nürnberg - Die Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit haben so hohe Vorgaben, dass sie für eine schöne Statistik bisweilen gegen die Interessen ihrer Kunden – die Arbeitslosen – handeln. So beschreibt der Bundesrechnungshof in einem internen Prüfbericht, der unserer Zeitung vorliegt, die Situation bei der Bundesagentur für Arbeit (BA). Das ist ein Grund, warum Jobvermittler Arbeitslose bisher oft in die Zeitarbeit vermitteln.

Doch obwohl der Bericht auf den November 2012 datiert und die BA bei der Zeitarbeit Besserung gelobt hat, hat sich offenbar wenig geändert. Das ist zumindest das Ergebnis einer Kleinen Anfrage der Grünen an die Bundesregierung. „Es scheint so, als ob bei der Vermittlungstätigkeit bisher wenig verändert worden ist“, sagt Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte bei den Grünen. Der Antwort der Bundesregierung zufolge, die unserer Zeitung vorliegt, kamen 2013 im Jahresdurchschnitt immer noch 30 Prozent der gemeldeten offenen Arbeitsstellen aus der Leiharbeitsbranche. Zwischen Dezember 2012 und November 2013 sind 320.277 Arbeitslose in der Zeitarbeit untergekommen. Das sind 17,5 Prozent aller Wiedereinsteiger. Damit ist die Zeitarbeit die Branche, in der die meisten Arbeitslosen landen.

„Vor dem Hintergrund, dass der Anteil der Leiharbeiter unter allen Beschäftigten weiterhin nur bei rund zwei Prozent liegt, sind die gemeldeten Stellenangebote in Höhe von 30 Prozent und die Abgänge in Leiharbeit in Höhe von 17 Prozent überproportional hoch und aus unserer Sicht nicht wünschenswert“, kritisiert Beate Müller-Gemmeke.

„Vor allem kann noch immer nicht differenziert werden, wie viele der Abgänge durch die Bundesagentur für Arbeit vermittelt wurden und wie viele Menschen sich selbst eine Stelle in der Zeitarbeitsbranche gesucht haben“, so die Politikerin.

Ohne Zeitarbeit sind die hohen Ziele nicht zu erreichen

Wie Korrekturen bei der Vermittlungspraxis ohne Datengrundlage umgesetzt werden könnten, sei nicht nachvollziehbar, bemängelt Beate Müller-Gemmeke. „Die Kernaufgabe der Bundesagentur für Arbeit ist die Vermittlung in Arbeit, und diese Vermittlung soll nachhaltig und dauerhaft erfolgen.“ Dies sei bei der Vermittlung in Leiharbeit oft nicht gegeben. „Wenn rund 50 Prozent der Leiharbeitskräfte innerhalb von drei Monaten laut BA-Statistik erneut arbeitslos sind und bei der BA wieder vor der Tür stehen, dann ist das für mich nicht nachhaltig“, kritisiert Beate Müller-Gemmeke.

Laut den Finanzkontrolleuren war die Zeitarbeit bisher ein gefragtes Instrument, um die hohen Zielvorgaben zu erreichen: „Nach Auskunft unserer Gesprächspartner nutzen die Agenturen die Vermittlung in die Zeitarbeit bei der Stellenbesetzung intensiv“, heißt es in ihrem Prüfbericht. „So berichtete ein Gesprächspartner, die Zeitarbeit spiele für die Zielerreichung des Arbeitgeber-Service eine wichtige Rolle.“

Ohne Zeitarbeit seien die Ziele nicht zu erreichen. „Mit Zeitarbeit könne sich die Agentur hohe Einstellungserfolge sichern“, schreibt die Prüfbehörde. Sie stellt fest, dass Jobs bei Zeitarbeitsunternehmen einen hohen Anteil der erfolgreich besetzten Stellen ausmachen. Dem Bericht zufolge waren 2011 insgesamt 37,4 Prozent aller durch die Arbeitsagentur erfolgreich vermittelten Stellen in der Zeitarbeitsbranche.

Geringere Einkommen und höhere Entlassungswahrscheinlichkeit

Die Finanzkontrolleure regen in ihrem Papier an, dass die BA künftig transparenter über den Anteil an Stellenbesetzungen bei Personaldienstleistern berichtet. „Nur so können sich Gesetzgeber, Bundesregierung und Öffentlichkeit ein umfassendes Bild von der Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur machen.“ Doch nach Angaben der BA handelt es sich hier um „Controllingzahlen“, „die nur zur internen Verwendung zur Verfügung stehen“, teilt eine Sprecherin mit.

„Auch wenn die Zeitarbeit für viele Arbeitsuchende eine Möglichkeit darstellt, wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, ist sie doch mit besonderen Risiken wie einem geringeren Einkommen und einer höheren Entlassungswahrscheinlichkeit verbunden“, kritisiert der Bundesrechnungshof. „Die Bundesagentur berücksichtigt dies bei ihrer internen Zielsteuerung nicht.“ Vermittlungen in die Zeitarbeit hätten dort den gleichen Stellenwert wie Vermittlungen zu Arbeitgebern jenseits der Branche. „Dies ist aus unserer Sicht nicht zielführend.“

Als Reaktion auf die Kritik hat BA-Chef Frank-Jürgen Weise Anfang 2013 eingeräumt, dass es bei der Vermittlung in die Leiharbeit in den vergangenen Jahren zu Fehlentwicklungen gekommen sei. Es habe Überlegungen gegeben, die Integrationen in die Zeitarbeit künftig geringer zu bewerten als die Integrationen in Beschäftigungen jenseits dieser Branche, so eine BA-Sprecherin. Schließlich sei man aber zu dem Entschluss gekommen, die sogenannten Zielindikatoren zu erweitern. So wird ab diesem Jahr auch bewertet, wie nachhaltig die Integration in den Arbeitsmarkt ist. Nachhaltig sind nach der Definition der BA alle Vermittlungen, die mindestens sechs Monate Bestand haben. Auch der Anteil erfolgreich besetzter Stellen bei kleinen und mittleren Unternehmen soll künftig in die Bewertung der Arbeit von BA-Mitarbeitern einfließen.