Seit Ende März lebt und arbeitet Mareike Espenschied als Vogelwartin. Foto: Jens Neumann

Mareike Espenschied aus Filderstadt arbeitet für den Naturschutzbund auf Trischen – die Insel liegt im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.

Eine kleine Insel inmitten des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer mit einer noch kleineren Holzhütte auf Stelzen – und unendlich vielen Vögeln: Seit Ende März lebt und arbeitet Mareike Espenschied für den Naturschutzbund (Nabu) als Vogelwartin auf Trischen. Wir haben mit der Filderstädterin über ihre ersten Erlebnisse auf der „Perle der Nordsee“ und eine unfreiwillige Taufe gesprochen.

 

Frau Espenschied, für viele bleibt es ein Traum, Sie haben eine Insel für sich allein: Wie gefällt es Ihnen auf Trischen?

Sehr gut! Ich bin mittendrin im Geschehen und bekomme alles hautnah mit: die Gezeiten, Sturm, Nebel und Sonne – inklusive unzähliger wunderschöner Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge – und natürlich die zahlreichen Vögel, die hier brüten oder rasten. Außerdem habe ich die weitläufigen Salzwiesen direkt vor der Tür und sehe Seehunde aus meinem Hüttenfenster. Das ist schon was ganz Besonderes.

Haben Sie sich eingelebt?

Ja, aber es hat zwei, drei Wochen gedauert, bis ich hier wirklich angekommen bin.

Die Holzhütte ist nur 15 Quadratmeter groß – und nicht gerade komfortabel.

Aber völlig ausreichend, wie eine Art Tiny House. Ich habe auf den paar Quadratmetern alles, was ich brauche: Bett, Schreibtisch, kleine Küchenzeile und einen Ofen für die kälteren Tage.

Ist es nicht manchmal ein bisschen sehr einsam?

Richtig einsam habe ich mich noch nicht gefühlt, da ich viel mit Freunden und Familie telefoniere. Außerdem habe ich regelmäßig Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen vom Nationalpark und vom Nabu auf dem Festland, da es immer fachliche Fragen und Austausch gibt. Und dann ist da natürlich Axel Rohwedder, der mit seinem Schiff, der ‚Louise‘, einmal die Woche Post, Lebensmittel und Trinkwasser vorbeibringt und immer genug Zeit für den neuesten Festlandschnack hat.

Aufgewachsen sind Sie in Filderstadt, lebten seit Ihrem Studium im Breisgau. Was hat Sie an die Nordsee verschlagen?

Seit meinem Bundesfreiwilligendienst im Nabu-Naturzentrum Katinger Watt im Jahr 2011 hängt mein Herz an der Nordsee. Es hat mich immer wieder hierhergezogen, zuletzt letztes Jahr, als ich für das Lachseeschwalben-Projekt im Neufelder Koog gearbeitet habe. Ich liebe die Landschaft, die Lebensart und natürlich die vielfältige Vogelwelt hier.

Wie haben Sie sich auf die Arbeit auf Trischen vorbereitet?

Ich habe von meinen Vorgängerinnen und Vorgängern einige Tipps bekommen, was ich mir vor der Abfahrt nach Trischen besorgen sollte – zum Beispiel gute Gummistiefel oder Nützliches, um mir die Hütte gemütlich zu machen. Außerdem erstellen alle Naturschutzwarte am Jahresende einen Bericht, der alles beinhaltet, was man so wissen muss. Den habe ich ausführlich studiert.

Das Zuhause der Vogelwartin ist gerade einmal 15 Quadratmeter groß. Foto: Jens Neumann

Gab es für Sie persönlich schon ganz besondere Momente? Die unfreiwillige Trischen-Taufe gehört sicher dazu...

Ja, auf jeden Fall. Ich stand mitten auf der Insel vor einem harmlos wirkenden Priel und setzte unbedacht zur Überquerung an. Beim zweiten Schritt versank ich kniehoch im Schlick, beim dritten Schritt steckte bis zum Oberschenkel fest. Der wohl bequemste, beste und tollste Gummistiefel ist jetzt zwar weg, aber ich konnte mich unversehrt befreien. Es gab schon viele tolle Momente: Der wunderschöne ‚Blutmond‘ über dem Meer, die erste Nacht allein auf der Insel, Schweinswale vor der Küste, die ersten Gelege und Küken, die ersten blühenden Salzwiesenpflanzen. Welcher dieser Momente schlussendlich am eindrucksvollsten war, werde ich wohl erst nach meiner Zeit auf Trischen wissen.

Seit wann interessieren Sie sich denn für Vögel?

Eigentlich schon seit meiner Kindheit, da habe ich auch mein erstes Bestimmungsbuch und mein erstes kleines Fernglas geschenkt bekommen. Während meines Bundesfreiwilligendienstes und des Studiums ist das Interesse immer mehr gewachsen.

Sie nennen sich zwar Vogelwartin, haben aber auch andere Aufgaben.

Genau, ich mache auch Wattkartierungen und vermesse die Insel, da die Insel ohne festen Kern und ohne schützenden Deich sehr dynamisch ist und sich jedes Jahr ein paar Zentimeter aufs Festland zubewegt.

Zu den rund 30 Vogelarten, die es auf der kleinen Insel Trischen gibt, gehört auch der Rotschenkel. Foto: Jens Neumann

Hat das Alleinsein Ihre Sicht auf die Welt verändert?

Ich merke, dass man alleine zwar leben kann, aber es wäre nie ohne die vielen Menschen um mich herum möglich hier zu überleben. Wir sollten uns bewusst machen, dass wir alle einander brauchen und wieder mehr Mitgefühl und Menschlichkeit leben.

Was sagen Freunde und Verwandte zu Ihrem Abenteuer?

Die haben mich in meinem Vorhaben von Anfang an unterstützt und verfolgen mein Leben hier über Telefonate und meinen Blog.

Bis Oktober ist es noch eine lange Zeit: Gibt es etwas, worauf Sie sich schon jetzt nach Ihrer Rückkehr aufs Festland freuen?

Auf frisch gebackenes Brot vom Bäcker. Bis meine Lebensmittel hier ankommen, ist das Brot, das ich bestellt habe, natürlich nicht mehr frisch. Und meine Backkünste halten sich in Grenzen.

Leben auf Trischen

Vogelwartin
Mareike Espenschied (Jahrgang 1991) ist in Filderstadt aufgewachsen. Sie hat ihren Realschulabschluss am Bildungszentrum Seefälle in Filderstadt-Bonlanden und danach Abitur an der Technischen Oberschule in Stuttgart gemacht. Im Anschluss an den Bundesfreiwilligendienst im Nabu-Naturzentrum Katinger Watt in Tönning (Schleswig-Holstein) folgten ein Bachelorstudium, Fachrichtung „Waldwirtschaft und Umwelt“, und das Masterstudium, Fachrichtung „Umweltwissenschaften“, in Freiburg. Während des Studiums machte sie unter anderem ein Praktikum an der Vogelwarte Helgoland.

Insel
 Trischen gehört seit 1909 zu den geschützten Seevogelfreistätten. Ein besonderes Merkmal ist die Geschwindigkeit, mit der sich die 18 Hektar große Insel im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer durch die Strömung in Richtung Festland bewegt. Die Insel wird von Vogelarten wie Brandgänsen, Alpenstrandläufern und Knutts besucht – sowohl als Brut- als auch als Rastplatz. Auf Trischen brüten jedes Jahr rund 5700 Vogelpaare von etwa 30 verschiedenen Arten. Derzeit lassen sich auf den Sandbänken der Insel zudem viele Seehundmütter mit ihren Jungtieren beobachten.

https://blogs.nabu.de/trischen/mein-start-als-vogelwartin/