Die Stuttgarter Stäffele brauchen Pflege. Flüchtlinge sollen künftig dabei helfen Foto: factum/Granville

Stuttgarts Stäffele brauchen dringend mehr Pflege. Darum sollen sich künftig auch Flüchtlinge kümmern. Doch die geplanten 100 neuen Stellen sind nur ein kleiner Teil der Arbeitsgelegenheiten, die Stadt und Kommunen in der Region für Asylsuchende bieten.

Stuttgart - Mehrere Hundert Stäffele gibt es in Stuttgart – um nur die öffentlichen zu nennen. Doch seit Jahren beklagen die Bürger, dass zu wenig für die Instandhaltung der charakteristischen Treppenanlagen getan wird. Die Stadtverwaltung kommt kaum hinterher – und hat jetzt eine interessante Idee geboren. Einige der zahlreichen Neubürger aus den Flüchtlingsunterkünften könnten doch ihre künftige Heimat im schweißtreibenden Auf und Ab kennenlernen. Gewissermaßen als bezahlte Hilfskräfte der Stadt.

Bis Ende 2017 sollen 100 sogenannte Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entstehen. Die Leute sollen vorwiegend beim Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Stuttgart sowie beim Garten-, Friedhofs- und Forstamt eingesetzt werden. Denkbar sind neben der Stäffeles-Pflege Reinigungsarbeiten in Parks und auf Kinderspielplätzen, zusätzliche Laubbeseitigung oder Hilfe in der Stadtgärtnerei. Wichtig ist, dass es sich um zusätzliche gemeinnützige Tätigkeiten handelt, die ansonsten niemand verrichten würde.

Obwohl es für solche Arbeiten lediglich eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro pro Stunde gibt, kostet das Angebot doch einiges. Für die 100 zusätzlichen Plätze sind pro Jahr 722 000 Euro veranschlagt. Das liegt auch daran, dass zur Anleitung und organisatorischen Betreuung der Flüchtlinge und der damit verbundenen Sprachkurse einige zusätzliche Personalstellen geschaffen werden müssen. Deshalb ist nicht jede Fraktion im Gemeinderat begeistert. Besonders SPD und SÖS/Linke-plus würden für das Geld lieber die professionelle Betreuung in den Unterkünften aufstocken.

Der Arbeitsweg soll zu Fuß machbar sein

Die 100 neuen Plätze sollen sich 200 bis 300 Flüchtlinge im Wechsel teilen. „Wir stehen in Kontakt mit den Trägern der Unterkünfte. Sie melden Leute für Sprachkurse und Tätigkeiten“, sagt Sozialamtsleiter Stefan Spatz. Gemeinsam schaue man sich an, wer wofür in Frage komme. Die Einsatzstellen suchen sich schließlich aus, wen sie haben wollen. „Dabei schauen wir auch, was in der Nähe der Unterkunft liegt. Der Weg zur Arbeitsgelegenheit sollte am besten zu Fuß zu bewerkstelligen sein“, so Spatz. Wenn zum Beispiel bald eine Flüchtlingsunterkunft auf einem ehemaligen Messeparkplatz am Killesberg öffnet, liegt es nahe, Leute von dort im benachbarten Höhenpark die Grünanlagen pflegen zu lassen.

Doch die 100 Stellen sind nur ein kleiner Teil der Arbeitsgelegenheiten, die die Stadt für Flüchtlinge bereitstellt. Derzeit gibt es bereits 631 genehmigte und besetzte Plätze – vorwiegend in den 110 Unterkünften selbst. Damit hat sich die Zahl seit vergangenem Sommer mehr als verdoppelt. Flüchtlinge helfen beim Reinigen der Toiletten, Duschen und Küchen oder gehen den Hausmeistern zur Hand. 51 besetzte Plätze gibt es zudem bei freien Trägern von der Schwäbischen Tafel bis hin zur Caritas. Dort könnte man noch weitere Stellen ausweisen, aber häufig gibt es Probleme mit dem Arbeitsweg, weil die Fahrkarte mehr kostet als die Asylsuchenden verdienen. „Wir werden uns zusammensetzen und das besprechen“, sagt Spatz.

Demnächst dürfte es in Stuttgart also mindestens 782 Arbeitsgelegenheiten für bis zu 1000 Flüchtlinge geben. Ein ordentlicher Anteil der derzeit 8371 Asylsuchenden. „Wir sind damit gut aufgestellt“, sagt Spatz. Über die Tätigkeiten soll den Neuankömmlingen auch die Integration erleichtert werden – und die Langeweile in den Quartieren ein Ende finden.

Kosten für Entlohnung, Betreuung und Arbeitskleidung

Auch in der Region tut sich einiges. Sowohl die Landratsämter als auch die Kommunen beschäftigen eine große Zahl von Flüchtlingen. „Wir setzen Asylbewerber an den beruflichen Schulzentren, im Straßenamt, bei der Landschaftspflege, in den Rems-Murr-Kliniken zur Unterstützung der Hausmeister, für Aufbauarbeiten in den Unterkünften oder auf der Deponie in Schorndorf ein“, sagt Marie-Christine Scholze, Sprecherin des Rems-Murr-Kreises. Neben der Aufwandsentschädigung fielen vor allem Kosten für betriebsärztliche Untersuchungen und Arbeitskleidung an.

Auch in den Kreisen Ludwigsburg, Böblingen und Göppingenarbeiten Flüchtlinge in den Unterkünften, meist als Hilfe für die Hausmeister oder als Reinigungskräfte. Manche, die bessere Sprachkenntnisse haben, begleiten andere Asylsuchende bei Behördengängen oder beim Arztbesuch. Auch die Essensausgabe und die Möblierung in den Unterkünften sind Betätigungsfelder. Allein das Esslinger Landratsamt setzt 200 Flüchtlinge zur Mithilfe in den Quartieren ein, dazu 40 weitere in den Kreiskliniken.

Die meisten Beteiligten haben mit dem Modell gute Erfahrungen gemacht. Auch wenn es Ausnahmen gibt. Nach einem Hungerstreik in einer Turnhalle im Stuttgarter Osten wegen angeblich katastrophaler hygienischer Zustände wies das Sozialamt vor kurzem darauf hin, dass sich die Kandidaten für die bezahlte Reinigung der Halle gerade dort bisher sehr zurückgehalten haben. Aber für die Stäffele darf man sich wohl dennoch Besserung erhoffen. Deren Pflege kann eigentlich nur besser werden.