Tim Cook stellt Apple TV+ vor: Aber noch können die Kunden sich nicht einloggen. Foto: dpa

Apple hat endlich seinen Streamingdienst für Filme und Serien vorgestellt. Er startet aber erst im Herbst. Und auch andere interessante neue Angebote lassen noch ein wenig auf sich warten.

Cupertino - Großes war erwartet worden: Und Großes hat Tim Cook, der Apple-Chef, der nie so charismatisch wirken wird wie sein Vorgänger Steve Jobs, in gewisser Weise auch geliefert, als er am frühen Montagabend deutscher Zeit in einer weltweitgestreamten Show das Neueste aus seiner Firma präsentierte. Bei diesem Event, sagte der leitende Kopf jenes Tech-Giganten, der mit dem I-Phone die moderne Lebenswelt prägte, gehe es ganz um „Services“, um Dienstleistungen, um immaterielle Angebote, um die Vermittlung von Inhalten, nicht mehr um Hardware oder Software.

Die große Neuausrichtung

Das war so prognostiziert worden. Cook hat da wohl die große Neuausrichtung von Apple angekündigt, die Neupositionierung der Firma in einer Welt, in der Konkurrenten wie Samsung und Huawei ebenfalls Hightech, Lifestyle, Markenimage und Prestigewerte zu attraktiven Bündeln schnüren.

Und so haben Konkurrenten, Wirtschaftsanalysten und Endverbraucher vor allem auf die Präsentation eines neuen Geschäftszweigs gewartet: auf Apples eigenen Videostreamingdienst, auf die Konkurrenz zu Netflix und Amazon Prime Video. In der zweiten Hälfte der fast zweistündigen Show hat Cook dann auch Apple TV+, wie das Angebot heißen wird, vorgestellt, unterstützt von viel Hollywood-Prominenz: Reese Witherspoon und Jennifer Aniston etwa, Steven Spielberg und J. J. Abrams. Und er hat die Latte so hochgelegt, dass sich daneben die Werbung von Netflix bescheiden ausnimmt. „Die besten Geschichten, die je erzählt wurden“ nennt Apple das, was bislang im ziemlich Geheimen an neuen Serien und Filmen erstellt worden ist.

Journalismus und Geldgeschäfte

Bevor Cook aber bis zu diesem vorab von vielen Spekulationen umrankten Dienst kam, hatten er und seine diversen Vizepräsidenten viel anderes zu bieten. Den Auftakt machte Apple News+, ein Flatrate-Abodienst für rund 300 Zeitschriften und einige Tageszeitungen. Apple tut dabei so, als habe man den Journalismus oder zumindest dessen Verbreitung neu erfunden, erwähnt das Konfliktpotenzial des Projekts aber nicht. Mit 9,99 Dollar pro Monat ist der zunächst nur in den USA und Kanada, im Lauf des Jahres dann auch in Europa zur Verfügung stehende Dienst schon konkurrenzlos günstig. Selbst davon aber will Apple nur die Hälfte an die Verlage weitergeben, weshalb die Wunschkandidaten „New York Times“ und „Washington Post“ nicht im Boot sind, wohl aber die „Los Angeles Times“ und das „Wall Street Journal“.

Von Grund auf umkrempeln will man eine andere Branche. Das bargeldlose Bezahlsystem Apple Pay wird nicht nur rundumerneuert, es wird in Zusammenarbeit mit Goldman Sachs und Mastercard um einen Kreditkartenservice erweitert, der alle Platzhirsche abhängen soll. Die Kredit-App soll einen sehr viel besseren Überblick über Geldflüsse und Rückzahlungsmöglichkeiten geben als alle derzeitigen Systeme der Etablierten, dabei sollen Gebühren und Bürokratie aber wegfallen. Eingeführt werden soll die virtuelle Apple Card im Sommer, vorerst aber nur in den USA.

Spiele und Serien

Dass etwas vorgestellt wird, das man nicht am gleichen Abend im Apple-Store online bestellen oder herunterladen kann, ist nichts Ungewöhnliches für Apple. In dieser Dichte aber gab es die Vertröstungen noch nie. Der Spielebereich im App-Store wird um ein interessantes Angebot ergänzt: Apple Arcade, ein Flatrate-Angebot für neue Spiele, die, so wieder einmal Apples unbescheidene Ankündigung, von den Besten der Branche eigens entwickelt würden. Mit über 100 Games will man in über 150 Ländern starten, werbefrei und ganz ohne Zusatzkäufe innerhalb der Spiele, aber eben erst im Herbst. Und ein Preis kann ebenfalls noch nicht genannt werden, was man leicht als Hinweis auf ein heftiges Tauziehen hinter den Kulissen zwischen den Spieleentwicklern und Apple deuten kann.

Bevor Cook endlich zu Apple TV+ kam, wurde erst noch die Renovur der bisherigen TV-App herausgestellt. Apple möchte hier, keine ganz neue Ambition, zum zentralen Anbieter von Bezahlfernsehen und Pay-per-View-Filmen werden, der Abos und Kundenkontakte für viele andere verwaltet. HBO, Starzplay, CBS All Access, auch Amazon Prime Video und weitere Sender sind über diese App zentral abrufbar. Sie soll auch mit Smart-TVs der großen Hersteller funktionieren. Im Mai soll die Radikal-Auffrischung zur Verfügung stehen, dann nicht in 10, sondern in über 100 Ländern.

Die Chance der Konkurrenten

Ebenfalls derart breit soll Apples eigener Streamingservice starten – aber auch erst im Herbst. Und ein Preismodell oder Näheres zu Kombipaketen mit anderen Streamingdiensten kann auch noch nicht genannt werden. Erwartet hatte man eher einen Sofortstart, damit Apple Vorsprung vor den anrollenden Diensten von Disney und Warner gewinnt.

Den Eindruck, dass man einen ursprünglichen Zeitplan nicht einhalten kann, vermochte auch ein umjubelter Überraschungsauftritt von Oprah Winfrey nicht zu zerstreuen, die unter anderem „den größten Buchclub des Planeten“ ankündigte, also wohl die Neuauflage eines zentralen Elements ihrer früheren Talkshow. Cook schwor, er werde diesen Abend nie vergessen, aber in gewisser Weise war das ein kleiner Auftritt: Zwischen Ankündigung und Marktreife der Angebote liegen nun Monate, in denen die Konkurrenten den Druck auf Apple erhöhen werden.