Jede halbe Stunde Schlaf mehr nützt der Leistungsfähigkeit des Gehirns Foto: dpa-Zentralbild

Erstmals haben Forscher das Schlafverhalten in 20 Ländern gleichzeitig ermittelt – mithilfe einer App. Wer schläft am wenigsten, wer am meisten – und wie schneiden die Deutschen ab?

Ann Arbor - Früher ins Bett gehen, um morgens nicht total übermüdet aufzuwachen: Das nehmen sich viele Menschen zwischen Europa, Nordamerika und Japan regelmäßig vor. Doch eine Studie von der amerikanischen University of Michigan in Ann Arbor zeigt: Der Schlaf kommt häufig zu kurz.

Herausgefunden haben das die US-amerikanischen Mathematiker Olivia Walch, Amy Cochran und Daniel Forgerhaben mithilfe der 2014 entwickelten App „ENTRAIN“. Sie soll eigentlich Reisenden helfen, sich an neue Zeitzonen anzupassen.

Dazu muss die App aber erst einmal mit ein paar persönlichen Daten füttern. Geschlecht und Alter sind wichtig, weil diese Faktoren die Schlafgewohnheiten deutlich beeinflussen. Gleiches gilt für den Heimatort und seine Zeitzone sowie für die alltäglichen Gepflogenheiten rund um den Schlaf: Wann geht man normalerweise ins Bett, wann steht man wieder auf. Aber auch, ob man seinen Tag eher im hellen Sonnenschein oder in abgedunkelten Seminarräumen verbringt. Und wie häufig man denn normalerweise verreist: Mehrmals in der Woche oder vielleicht weniger als einmal im Jahr?

45 Prozent der ausgewerteten Daten kommen aus den USA

Aus diesen Daten ermittelt ENTRAIN Hinweise, wie man die Zeit nach der Ankunft in einer neuen Zeitzone verbringen sollte, um einen Jetlag so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Die App fragt den Nutzer aber auch, ob sie die persönlichen Daten den Mathematikern in Michigan übermitteln dürfe. Dem stimmten bereits im ersten Jahr sendeten 8070 zu. So gelang es den US-Forscher, die Schlafgewohnheiten auf dem Globus zu ermitteln.

Wobei die Daten aus den westlichen Industriestaaten deutlich überwiegen, wie der Schlafforscher Jan Born von der Universität Tübingen hinsichtlich der US-Studie bemerkt: So kamen allein 45 Prozent aller Daten aus den USA, neun Prozent aus Australien und fünf Prozent aus Kanada. Großbritannien, Frankreich, Spanien, die Niederlande, Dänemark und Deutschland liefern zusammen weitere 15 Prozent. Asiatische, afrikanische oder südamerikanische Länder sind dagegen kaum vertreten.

Am wenigsten schlafen die Menschen in Japan und Singapur

Dabei kam heraus: Kulturelle und soziale Einflüsse können die biologische Uhr des Körpers und seinen natürlichen Schlaf-und Wach-Rhythmus außer Kraft setzen. Das wissen nicht nur Schlafforscher, sondern zum Beispiel auch Schichtarbeiter schon lange. Nicht erfasst werden konnten biologische Komponente – was die Messmethode per App an sich verbietet.

Am wenigsten schlafen nach den App-Daten die Menschen in den ohnehin als emsig und fleißig angesehenen Ländern Japan und Singapur mit durchschnittlich sieben Stunden und 24 Minuten. In den Niederlanden gehen es die Menschen dagegen deutlich gemütlicher an und gönnen sich mit acht Stunden und zwölf Minuten den längsten Schlaf in den untersuchten Ländern.

Diese 50 zusätzlichen Schlummerminuten können einen wichtigen Unterschied ausmachen. Haben Menschen nur eine halbe Stunde weniger Schlaf als der Durchschnitt, infizieren sie sich zum Beispiel leichter mit Rhino-Viren, die einen Schnupfen auslösen können. Ein solches höheres Infektionsrisiko dürften demnach vor allem Männer haben. Das starke Geschlecht schläft nach den App-Daten im Durchschnitt nämlich rund eine halbe Stunde weniger als Frauen.

Abgeknapst wird die Schlummerzeit normalerweise am Abend, wenn man seinen Drang in Richtung Schlafzimmer ignoriert: Wer später ins Bett geht, bekommt auch weniger Schlaf, weil sich die Zeit zum Aufstehen oft kaum verschieben lässt. Schließlich sollte man am Morgen zu einer bestimmten Zeit bei seiner Arbeit sein, Kinder müssen in den Kindergarten oder zur Schule. I

Aber auch der Alltag spielt eine wichtige Rolle. Wer tagsüber sich im Freien aufhält und zum Beispiel als Gärtner die städtischen Parks pflegt, geht abends früher ins Bett und bekommt so auch mehr Schlaf als derjenige, der seinen Tag in eher dunklen Büroräumen verbringt, zeigen die US-Forscher.

Dieses Mehr an Schlaf ist aber wichtig: „So scheinen die geistigen Fähigkeiten und die Dauer des Schlafs miteinander verknüpft zu sein“, sagt Jan Born von der Tübinger Universität. Selbst winzige, kaum einen Millimeter lange Fadenwürmer schlafen, wenn sie etwas Neues erlebt haben. Und bei der Fruchtfliege Drosophila gibt es wie beim Menschen Lang- und Kurzschläfer. Die Fliegen mit weniger Schlafbedürfnis scheinen dabei geistig weniger rege zu sein als ihre lang schlafenden Artgenossen.

Natürlich lassen solche Zusammenhänge nur schwer Schlussfolgerungen für die Menschen zu. „Allerdings mehren sich die Hinweise, dass der Schlaf wichtig für das Lernen ist“, sagt Schlafforscher Jan Born. So zeigt sich: Neugeborene Babys lernen nicht nur viel Neues, sondern schlafen auch viel. Doch je älter man wird, umso mehr kann man sich auf seine gesammelten Erfahrungen stützen und muss weniger Neues lernen. Prompt schläft man im Alter weniger. Bisher sind das alles jedoch nur auffällige Zusammenhänge.