Um Pakete ausliefern zu können, müssen Paketboten ihr Fahrzeug oft in zweiter Reihe oder auf dem Geh- beziehungsweise Radweg abstellen. Foto: dpa/Karlotta Ehrenberg

Eine App soll Paketboten und Lieferanten zu einer freien Haltebucht navigieren. Gleich zwei Institute aus Stuttgart-Vaihingen unterstützen die Landeshauptstadt bei dem im November gestarteten Pilotprojekt.

Vaihingen - Wenn Ladezonen belegt sind, wissen die Lieferdienste das meist erst dann, wenn sie vor Ort einparken wollen. Um die Ware trotzdem ausliefern zu können, stellen sie ihr Fahrzeug deshalb oft in zweiter Reihe oder auf dem Geh- beziehungsweise Radweg ab. Das bringt nicht nur den Verkehr ins Stocken, sondern birgt auch Gefahren für Fußgänger und Radfahrer.

Die Stadt Stuttgart möchte dem entgegenwirken. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation sowie dem Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement der Universität Stuttgart – beide in Vaihingen – hat sie ein Pilotprojekt gestartet. Ziel ist es, smarte Lösungen für den Wirtschaftsverkehr zu finden.

Denn zunehmender Lieferverkehr macht Großstädten zu schaffen. Dazu trägt unter anderem der Onlinehandel bei. Laut einer Studie des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik wurden 2018 mehr als 3,5 Milliarden Sendungen aufgegeben. Damit habe sich das Sendungsvolumen im Vergleich zum Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Insgesamt mache der Wirtschaftsverkehr bis zu einem Drittel des städtischen Kfz-Verkehrs aus, schreibt der Verkehrsclub Deutschland in einem Papier.

Oft durch unzulässig abgestellte Fahrzeuge belegt

Für den Wirtschaftsverkehr stehen die Zonen zur Verfügung, die mit einem eingeschränkten Halteverbot für Be- und Entladevorgänge freizuhalten sind, erklärt Ines Aufrecht. Sie leitet die Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt Stuttgart. Jedoch seien diese Flächen oft durch unzulässig abgestellte Fahrzeuge belegt. Zum Beispiel, weil Autos darauf parken. „Die Stadt ist bemüht, die vorgesehene Nutzung durchzusetzen. Hierzu werden Kontrollen durchgeführt und Ordnungswidrigkeiten notiert.“ Doch man wolle eben nicht nur Strafzettel verteilen und so darauf hinwirken, dass das Parken in zweiter Reihe ein Ende findet. Es geht auch darum, Anreize dafür zu schaffen, die Ladeflächen regelkonform zu nutzen. „Hierfür streben wir eine digitale Lösung mit einer App und mit Sensoren ausgestatteten Verkehrsflächen an“, sagt Aufrecht. Hierbei können sich die Lieferdienstleister kostenlos eine App auf ihr Smartphone herunterladen. Diese zeigt dem Fahrer freie Lieferflächen in der Umgebung an. Die App kommuniziert dann mit den mit Sensoren ausgestatteten Schildern. Der Fahrer kann anklicken, dass er die Ladefläche derzeit blockiert. Anderen Lieferdienstleistern wird die Haltebucht dann als belegt angezeigt. Hat der Fahrer seine Ware ausgeliefert oder sein Fahrzeug beladen, so kann er wieder auschecken.

Damit der Lieferdienstleister während der Fahrt nicht auf dem Handy herumtippt, kann er die Sprachfunktion seines Geräts nutzen. Alternativ haben die Lieferdienstleister auch die Möglichkeit, einen Knopf in ihrem Fahrzeug anzubringen, den sie zum Ein- und Auschecken betätigen können.

Einblicke in die Auslastung der Lieferzonen

„Die Lieferdienstleister sehen, wo sie freie Flächen finden, und können gezielt freie Parkplätze anfahren. Dadurch vermindert sich der Parksuchverkehr“, sagt Manuela Wohlhüter vom Fraunhofer IAO. Und nicht nur die Lieferdienstleister selbst profitieren von der App. Die bereitgestellten Daten bieten der Stadt außerdem Einblicke in die Auslastung der Lieferzonen.

Mit dem Projekt verfolgt die Stadt ein weiteres Ziel. „Jede Minute, die für die Suche nach einer Lieferfläche auf der Straße verbracht wird, führt dazu, dass mehr Schadstoffe ausgestoßen werden. Und nutzlose Zeit auf der Straße zu verbringen, bedeutet zudem einen volkswirtschaftlichen Schaden“, sagt Aufrecht. Wenn die Lieferdienstleister aufgrund der App künftig nun gezielt Lieferflächen ansteuern können, spart dies Zeit und belastet die Umwelt weniger, so die Logik dahinter. Die Stadt hatte sich deshalb für das „Sofortprogramm Saubere Luft“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur beworben und die Förderung für dieses Projekt zugesprochen bekommen.

Man setzt auf eine weitere Methode

In anderen Ländern können Städte Lieferdienstleister dazu verpflichten, die App zu nutzen, sagt Wohlhüter vom Fraunhofer IAO. In Deutschland sei das nicht möglich. Deshalb sei man darauf angewiesen, dass die Lieferdienstleister freiwillig mitmachen. „Wer die App nicht nutzt, wird nicht im digitalen Lieferzonenmanagement erfasst“, sagt Rebecca Litauer vom Fraunhofer IAO.

Um trotzdem gewährleisten zu können, dass die Ladeflächen in der mobilen Karte richtig gekennzeichnet sind, setzt man deshalb auf eine weitere Methode, nämlich Bodensensoren.

Im Moment läuft das Pilotprojekt. Die blauen Schilder mit den Sensoren findet man deshalb bisher nur in Feuerbach und Zuffenhausen. „Bevor wir die Technologie überall einsetzen können, testen wir sie in ausgewählten Zonen. Erst im Nachhinein wird sich zeigen, ob das eine Lösung ist, die auf andere Bezirke übertragbar wäre“, sagt Litauer. Bis die Technik auch auf den Fildern zum Einsatz kommt, könnte es also noch ein bisschen dauern.