Apothekerin Gabriela Aures protestiert für mehr Geld Foto: Privat

Weil sie sich ungerecht behandelt fühlen, greifen Apotheker zu ungewöhnlichen Mitteln.

Stuttgart - Einem nackten Mann lässt sich bekanntlich nicht in die Tasche greifen. Einer nackten Frau auch nicht: „Neun Jahre haben wir gar keine Honorarerhöhung gekriegt, nun wirft man uns ein Krümelchen hin, für das wir auch noch einen Kratzfuß machen sollen“, schimpft Gabriela Aures über Politiker-Pläne, das Apotheken-Honorar um 25 Cent pro rezeptpflichtiger Medikamentenpackung zu erhöhen.

Aus Sicht der bayerischen Apothekerin und auch der gesamten Branche reicht das bei weitem nicht, um Kostensteigerungen der vergangenen Jahre aufzuwiegen. Anders als der überwiegende Teil der Branche beschränkt sich Aures aber nicht auf verbalen, sondern setzt auf körperlichen Protest: Nur von einem Apotheken-A bedeckt fragt sie auf Plakaten Wirtschaftsminister Philipp Rösler „in welche Tasche wollen Sie uns noch greifen?“ Obwohl es das Plakat erst ab nächster Woche gibt, verursacht die Aktion schon jetzt reichlich Nebenwirkungen: In Internetforen beglückwünschen Apotheker Aures zu ihrer Idee, Bestellungen von Kolleginnen hat die 45-Jährige ebenfalls bereits.

Das nackte Protestplakat ist die spektakulärste Aktion – aber nicht die Einzige

Der Verdienst der knapp 21 100 Apotheken bundesweit hängt mit der Anzahl der abgegebenen Arzneipackungen zusammen. Seit 2004 erhalten Pharmazeuten pro verschreibungspflichtigem Medikament 8,10 Euro Honorar von den gesetzlichen Krankenkassen, worauf sie aktuell 2,05 Euro Rabatt zurückgeben müssen. Zudem schlagen Apotheken auf den Einkaufspreis jeder Packung drei Prozent für Lagerhaltung auf und bekommen Geld für Notdienste und die Herstellung von Rezepturen. Rösler will das seit 2004 unveränderte Honorar pro Packung 2013 von 8,10 auf 8,35 Euro anheben. Die Apotheker fordern eine Erhöhung auf 9,14 Euro und begründen dies mit drastisch gestiegenen Inflations- und Personalkosten. Zudem erlässt die Politik mit jeder Gesundheitsreform neue Sparzwänge.

Der nackte Protest von Aures ist die bis dato spektakulärste Aktion. Es ist aber nicht die Einzige: Ann-Kathrin Kossendey, Apothekerin in Niedersachsen, ist inzwischen auch als Videothekerin bekannt. Auf dem Filmeportal Youtube setzt sie sich in nunmehr drei Videos mit der Honorarerhöhung um 25 Cent auseinander und erklärt zum Beispiel, was ein Apotheker an einem Medikament tatsächlich verdient. Das erste Video „25 Cent“ wurde bis heute fast 20 000 Mal aufgerufen. Der nordrhein-westfälische Apotheker Ingo Dramburg veröffentlicht auf seiner Internetseite apothekerprotest.de Todesanzeigen für Filialen, die schließen mussten, angesichts der Honorardebatte plädiert er zudem für Streik: „Die Basis lechzt danach, dass einer den Anfang macht und dazu aufruft“, schrieb er kürzlich an die 17 Apothekerverbände bundesweit. Auf Initiative der Kieler Landesapothekerkammer sind vergangene Woche rund 50 Apotheker mit Plakaten und Trillerpfeifen vor den schleswig-holsteinischen Landtag gezogen.

Apotheker werfen dem Dachverband ABDA Untätigkeit vor

Neben dem Ärger über die Politik demonstrieren die Apotheker mit ihren öffentlichen Aktionen auch Unzufriedenheit mit ihrem Dachverband, der Apothekervereinigung ABDA. Diese setze sich bei der Politik zu wenig für die Belange der Apotheker vor Ort ein, so der allgemeine Tenor. Die ABDA weist die Kritik zurück, hat sich allerdings erst vor einer Woche auf eine bundesweite Aufklärungskampagne verständigt. Zeitgleich ist eine Erklärungsfrist der Betroffenen zu Röslers Plänen abgelaufen.

Im September will der Minister seine Vorschläge dem Kabinett vorlegen, Apothekerin Aures dürfte er bis dahin auf zahlreichen Apotheken-Schaufenstern begegnet sein. Mit dem Plakat wolle sie mit dem Klischee aufräumen, dass Apotheker in ihrem Beruf Reichtümer anhäufen, betont Aures. Das sagen auch nackte Zahlen: Dieses Jahr sind in Deutschland unter dem Strich pro Woche sechs Apotheken verschwunden. Mit 21 080 ist der tiefste Stand seit 1994 erreicht.