In der Charlotten-Apotheke am Olgaeck in Stuttgart reicht eine Mitarbeiterin eine Packung Paracetamol durchs Verkaufsfenster. Die Ladentür bleibt in diesen Tagen geschlossen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Um ihre Mitarbeiter zu schützen, lassen sich die Stuttgarter Apotheken in der Coronakrise kreative Lösungen einfallen, um den Kontakt mit Kunden so gering wie möglich zu halten.

Stuttgart - Ärzte, Pfleger, Apotheker – ohne sie geht in diesen Tagen nichts. Kaum auszudenken was passiert, wenn große Teile des Personals im Gesundheitssektor am Coronavirus erkranken. Um ihre Mitarbeiter aber auch ihre Kundschaft zu schützen, lassen sich die rund 125 Apotheken im Stuttgarter Stadtgebiet deshalb kreative Lösungen für den Verkauf einfallen. So auch die Charlotten-Apotheke am Olgaeck in Stuttgart. Die Ladentür bleibt geschlossen, verkauft wird trotzdem – durch vier Fenster, an denen eine Gegensprechanlage angebracht ist. „So können wir den Kundenkontakt halten, eingehend beraten, das Ansteckungsrisiko aber minimieren“, sagt die Inhaberin der Apotheke, Eva Golzke.

Zudem arbeitet das Personal hier in zwei Schichten. Mittags ist Schichtwechsel, die Apotheke wird für ein paar Minuten zu gemacht, alles desinfiziert, dann kommt das zweite Team. „Wir vermeiden den Kontakt zur anderen Schicht komplett, damit wir im Falle des Falles nicht alle in Quarantäne müssen“, sagt die 33-jährige Apothekerin. Vor allem auf den außerordentlichen Einsatz ihres Personals und deren Familien ist sie stolz – viele von ihren Mitarbeitern sind Mütter, auch Golzke selbst hat zwei kleine Kinder. Die Männer kümmerten sich nun hauptsächlich um die Kleinen, damit alles reibungslos verläuft. Denn die Kunden strömen: „Seit zwei Wochen haben wir rund 40 bis 50 Prozent mehr Kundschaft.“

Die Not macht erfinderisch

Doch nicht alle Apotheken haben Personal für einen Schichtbetrieb, wie Frank Eickmann, Pressesprecher des Apothekerverbandes Baden-Württemberg, berichtet. Rund 90 Prozent der Apotheken im Land sind Mitglied im Verband. Dieser steht den Inhabern beratend zur Seite. „Gerade kleinere Betriebe müssen eine andere Lösung finden“, sagt Eickmann. „Die machen ihren Laden dann zum Teil für zwei Stunden zu, desinfizieren alles und öffnen danach wieder.“ Der Verkauf durchs Fenster mit Gegensprechanlage sei eine Lösung, vom Verkauf durch die Notdienstklappe rät er jedoch ab: „Beim Öffnen entsteht ein Luftzug direkt in die Apotheke und im Zweifel ins Gesicht des Verkäufers. Mitarbeiter und Kunden können nicht genug Abstand halten, sind so auch nicht ausreichend geschützt.“

Viele Apotheken ließen sich stattdessen große Plexiglasscheiben über die Verkaufstheken bauen. Der Verband vermittle entsprechende Handwerksbetriebe, auch die Baumärkte sind noch geöffnet. Andere teilen ihre Apotheke in drei Zonen ein: Grün für gesunde, Gelb für leicht erkältete und Rot für fiebrige Kunden. „Eine Möglichkeit ist auch, immer nur einen Kunden nach dem anderen in die Apotheke zu lassen“, sagt Frank Eickmann.

Desinfektionsmittel aus eigener Herstellung

Auch dass nun sonntags gearbeitet werden darf, helfe dem System. Zwar werden auch hier die kleineren Betriebe nicht mithalten können, so Eickmann, doch seit ein paar Tagen ist es Apothekern erlaubt, selbst Desinfektionsmittel herzustellen – für Praxen oder die ambulante Pflege. Eine Allgemeinverordnung des Bundes war dafür nötig. Denn zur Herstellung kommt Isopropanol zum Einsatz, ein Rohstoff der auf der Biozitliste steht und mit dem nur wenige arbeiten dürfen. Da die Herstellung reine Handarbeit ist und auch hier Sicherheit erste Priorität hat, weichen viele Apotheken in die Abendstunden oder auf die Sonntage aus. So auch Eva Golzke von der Charlotten-Apotheke. Bei der Beschaffung der Rohstoffe helfen sogar ihre Familie und die Familien der Mitarbeiter mit. „Über den Großhandel sind die Rohstoffe nicht mehr lieferbar, da telefonieren unsere Helfer die Chemikalienhändler ab“, sagt sie.

Überhaupt sei die Solidarität in diesen Tagen überwältigend. „Die Kunden haben großes Verständnis für unseren Fenster-Verkauf, loben die Lösung sogar, das stärkt uns enorm in dieser stressigen Zeit“, so Golzke. Nachbarn seien verstärkt für ältere Menschen und Menschen aus Risikogruppen unterwegs, um Rezepte einzulösen.

Dennoch hat die 33-Jährige einen dringenden Wunsch an ihre Kunden: „Fragen Sie nicht mehr nach Mundschutzmasken, denn wir bekommen keine mehr geliefert – bereits seit vier Wochen nicht mehr.“