Der Apfelsaft wird in Weil der Stadt auf Farbe, Aussehen, Geruch, Geschmack und Harmonie getestet. Foto: Simon Granville

Süß, sauer oder die perfekte Harmonie? Bei der Apfelsaftprämierung in Weil der Stadt werden 38 Apfelsäfte getestet – obwohl 2023 ein schlechtes Erntejahr war.

Kaum ist der goldgelbe Apfelsaft eingeschenkt, hängen schon ein Dutzend Nasen in den Gläsern. Mit Bedacht wird an dem Saft gerochen, das Glas kurz geschwenkt, als würde man gerade einen Wein probieren. Der erste Schluck, dann nachdenkliche Gesichter. Zu sauer? „Wenn er bloß siaß is, isch’s au ned rechd“, sagt eine Testerin am Tisch mit der Nummer Vier.

 

Dicht gedrängt sitzen die Menschen an diesem Abend im Hinterzimmer des katholischen Gemeindehauses in Weil der Stadt, sie sind zusammengekommen, um eine wichtige Frage zu beantworten: Wer macht den besten Apfelsaft im Landkreis Böblingen? Es ist die inzwischen 13. Apfelsaftprämierung des Kreises. „Die erste in Weil der Stadt“, sagt Franz Decker, Vorsitzender des örtlichen Obst- und Gartenbauvereins, der in diesem Jahr Gastgeber des Wettbewerbs ist.

Wegen Trockenheit war die Apfelernte schlecht

38 Säfte sind in diesem Jahr im Rennen, davon 18 reine Apfelsäfte und 17 Mischsäfte, bei denen neben dem Apfel auch noch Birne oder Quitte verarbeitet wurde. Das sind weniger als gewöhnlich, weiß Manfred Nuber, der in Schafhausen nicht nur seinen eigenen Obsthof hat, sondern auch Obst- und Gartenbaubeauftragter des Landratsamtes ist. Kein gutes Jahr für den Apfel war 2023, sogar „eines der schlechtesten Obstjahre seit 2017“, sagt Nuber. Damals war es der Frost, der den Früchten zugesetzt hat, jetzt nennt er die langen, trockenen Jahre als Grund für die maue Ausbeute. „Die Bäume sind geschwächt.“ Schlechte Ernte, das bedeutet auch weniger Saft – 40 Prozent der Teilnehmer eines normalen Jahres seien bei der 13. Apfelsaftprämierung dabei.

Wegen der wenigen Anmeldungen hat auch Manfred Nuber in diesem Jahr einen Saft ins Rennen geschickt. Und auch kurzfristig hatten noch einige Teilnehmer einen Saft für die Prämierung vorbeigebracht. Mindestens drei Liter muss jeder für die Testung zur Verfügung stellen, wer etwas einreicht, darf auch mitprobieren. Außerdem gibt es eine Fachjury, die in diesem Jahr unter anderem mit Mitgliedern des Weiler Gastgebervereins und dem Kreisverband der Obst- und Gartenbauvereine besetzt ist. In zwei Gruppen probieren die Tester jeweils die Hälfte aller Säfte, die besten fünf Säfte werden jeweils der anderen Gruppe zum Gegentesten gegeben. Wer gewonnen hat, bleibt aber bis zur offiziellen Siegerehrung am Samstag geheim.

Streuobst bekommt einen neuen Stellenwert

Bis dahin muss aber fleißig probiert werden: In großen Krügen verteilen die Helfer die Säfte an die Tische, dort können die Tester Punkte für Farbe und Aussehen, Geruch, Geschmack und Harmonie des Saftes vergeben. Nicht immer sind sich alle einig – am Tisch der Familie Widmayer aus Kuppingen wird heiß diskutiert, wie viel Punkte es denn nun für die Harmonie geben soll. „Für mich nur zwei“, heißt es von der einen Seite des Tisches. „Ich würde schon drei geben“, von der anderen. „Schon immer dabei“ sind die Widmayers bei der Prämierung, haben auch schon öfter Preise geholt – bis 2022 etwa drei erste Plätze in Folge.

Tatsächlich tauchen bei der Apfelsaftprämierung häufig die gleichen Namen auf. „Es gibt etliche Familien, die immer wieder vordere Plätze belegen“, sagt Nuber. Aber auch neue Gesichter sind in diesem Jahr dabei. Als Nuber in die Runde fragt, wer das erste Mal mitmacht, geht rund die Hälfte aller Hände nach oben. In den vergangenen Jahren habe Streuobst eine ganz andere Bedeutung bekommen, erklärt Nuber. Lange Zeit konnten Äpfel nur gegen eine meist eher kleine Summe bei den Mostereien abgegeben werden, die dann aus allen abgegebenen Äpfeln einen einzigen Saft pressten. Inzwischen lassen sich viele aber auch immer häufiger die eigenen Äpfel gegen Gebühr pressen. Zurück bekommt man dann wirklich nur den eigenen Apfelsaft, der in versiegelten Beuteln mit Zapfhahn sogar länger haltbar ist.

Über die Jahre ist der Apfelsaft immer besser geworden

Besonders für Familien sei das toll, sagt Nuber, die Kinder würde der Prozess vom Auflesen des Obstes bis zur Presse begeistern. „Und wenn ich dann im Winter meinen eigenen Saft aus dem Keller hole, weiß ich, das war meine Arbeit.“ Über 80 Prozent der Kunden seiner Mosterei seien inzwischen Familien, bestätigt auch Franz Decker. Überhaupt seien die für die Prämierung eingereichten Säfte über die Jahre immer besser geworden. „Wir haben eine deutliche Qualitätsverbesserung über die Jahre festgestellt“, sagt Nuber. Die ersten Jahre habe es deutlich schlechtere Säfte gegeben. Das liegt besonders am Austausch und der Erfahrung: „Die Leute kommen ins Gespräch“, so der Landwirt. „Und fragen dann: Welche Sorte nimmst du, wie stark sortierst du aus, wie lange lagerst du?“

Aus diesem Grund ist in diesem Jahr auch Johannes Föll aus Malmsheim dabei. Apfelsaft hat er schon mit seinem Vater gemacht, an der Apfelsaftprämierung hat er aber noch nie teilgenommen. „Wir wollten mal wissen, wie wir im Vergleich sind“, berichtet er. „Und das Niveau ist hoch.“ Fleißig testet er mit Bernd Spindler aus Sindelfingen, der am selben Tisch sitzt, die Apfel- und Mischsäfte. Auf ein ausgewogenes Süße-Säure-Verhältnis komme es an, sagen die beiden. Den Tetra-Pak-Saft aus dem Supermarkt trinken sie längst nicht mehr. Nicht so mehrdimensional sei der, sagt Föll. „Streuobstsäfte haben eben eine ganz andere Vielfalt.“