Reiner Günthner-Müller aus dem Leonberger Teilort Höfingen wurde für seinen Apfelsaft mit dem ersten Platz bei der Prämierung des Landratsamts Böblingen ausgezeichnet. Ein festes Rezept hat er aber nicht.
Wenn Reiner Günthner-Müller Apfelsaft herstellen lässt, gibt es dafür kein Rezept und auch keine Geschmacksprobe vorab. „Das Verhältnis der Apfelsorten ist nicht definiert“, sagt der 68-Jährige Höfinger, „und das ist auch gut so. Der Saft soll gerne jedes Jahr anders schmecken.“ In diesem Jahr allerdings ist dem ehemaligen Sonderpädagogen mit seinem Erzeugnis ein Volltreffer gelungen. Bei der Apfelsaftprämierung, ausgelobt vom Landratsamt Böblingen, belegte er den ersten Platz. Das heißt: Reiner Günthner-Müllers Apfelsaft ist der beste im Landkreis Böblingen im Jahr 2025.
Saft wurde aus sechs Zentnern Äpfeln gepresst
In einem Laden wird man den Saft jedoch nicht finden. „Wir haben diesmal sechs Zentner Äpfel zur Kelter in Flacht gefahren“, berichtet er. Die Menge sei deshalb optimal gewesen, da sie dort in einem Rutsch verarbeitet, pasteurisiert und abgefüllt werden konnte. Heraus kamen rund 250 Liter, die in der Familie getrunken werden. „Und sie werden auch zum Naturalientausch genutzt“, sagt Reiner Günthner-Müller und grinst.
Die Saft- und auch die Mostherstellung hat für ihn eine lange Tradition. Ursprünglich stammt der Ruheständler aus der Nähe von Bad Herrenalb im Nordschwarzwald. „Daheim war das üblich, Most im Keller zu haben. Und der Apfelsaft wurde in Flaschen abgefüllt und davor in Einmachtöpfen pasteurisiert“, erinnert er sich. Nachdem er vor vielen Jahren schließlich nach Höfingen gezogen war – seine Frau stammt von dort –, kam erneut eines zum anderen. „Die Obstbaumwiesen waren vorhanden und da war es selbstverständlich, dass wir die Erträge verarbeiten.“
Familientradition: Vom ersten Versuch zum Sieg beim Wettbewerb
Vor 15 Jahren brachte er erstmals eine Fuhre Äpfel zur Flachter Kelter. Dort wird der Saft im sogenannten „Bag-in-Box“-Verfahren abgefüllt. Sprich, ein Fünf-Liter-Plastikbeutel wird in einem Karton platziert. Über einen Hahn kann die Flüssigkeit ins Glas fließen. Vor drei Jahren hat er erstmals bei der Kreisprämierung teilgenommen. Dieses Jahr gab es dann den Sieg. Und das Gefühl für Saft liegt offenbar in der Familie: Sohn Hannes Müller, 28, landete mit seinem Beitrag auf Rang drei.
Dass sein Saft in diesem Jahr so gut ankam (Günthner-Müller: „Eine richtige Rakete!“), will der Sieger jedoch nicht überbewerten. Daher übt er sich im Understatement: „Die anderen Säfte waren auch sehr gut, aber einer muss eben gewinnen.“ Die Jury betrachte unter anderem die Farbe, ob Schwebstoffe enthalten seien, verkoste das Aroma, die Harmonie... „die ganze Palette“, wie der Saftfachmann zusammenfasst. Und in der Tat komme es manchmal eben auf die Zusammensetzung an. Und auf die achtet Reiner Günthner-Müller sehr wohl.
„Wir haben 30 tragende Bäume auf vier Wiesen“, zählt er auf, „dazu gehören auch alte, die rund 80 Jahre auf dem Buckel haben.“ Man könne also aus dem Vollen schöpfen, auch bei den Erntehelferinnen und -helfern: Die ganze Familie – Frau, drei Kinder, zwei Enkel – macht mit, wenn es jährlich im Herbst soweit ist. 2024 sei dabei ein sehr gutes Jahr für die Apfelernte gewesen sei. Also konnte er auch die Sortenmischung so gestalten, wie er sich das vorstellte. „Das Zusammenspiel aus Süße und Säure ist das Wichtigste“, sagt er.
Die Kunst der Apfelsaftproduktion: Süße und Säure im Einklang
Für die Süße nehme er frühe Sorten wie Jakob Fischer oder Boskop. Nach der Ernte werden diese noch gelagert, reifen nach und werden so noch süßer. Allerdings bedeutet diese Lagerung auch Arbeit. Über Wochen müssen die Kisten kontrolliert werden und faule Exemplare aussortiert werden, etwa ein Drittel der gesamten Ernte. Und die Säure? „Die kommt von klassischen, kleinen Mostäpfeln“, sagt Günthner-Müller.
In der Kelter werde schließlich alles zusammen gepresst, wobei eine Faustregel gilt: 100 Kilogramm Äpfel ergeben etwa 70 bis 75 Liter Saft. Bei der Pasteurisierung wird die Flüssigkeit im Anschluss auf 78 Grad Celsius erhitzt, um Mikroorganismen abzutöten. „Dadurch wird der Saft haltbarer“, so der Experte. Im Anschluss wird er, noch warm, in die Plastiksäcke abgefüllt. „Die muss man aber sehr schnell abkühlen lassen“, betont Reiner Günthner-Müller. Er lege sie sofort auf den kalten Kellerboden zuhause. „Wenn der Saft zu lange warm ist, wirkt sich das negativ auf den Vitamingehalt aus.“
Tradition und Innovation: Reiner Günthners Apfelanbau
Das seien Tipps aus der Mosterei. In Sachen Äpfeln kennt sich Reiner Günthner-Müller selbst außerordentlich gut aus. „Wir pflanzen auf unseren Wiesen alte Sorten nach“, sagt er, „aber ausschließlich Hochstämme.“ Das hat einen Grund: Der Landwirt, der die Wiesen an sich bewirtschaftet, soll mit dem Schlepper noch gut an den Bäumen vorbeikommen. Außerdem hat sich Der Kreissieger vor Kurzem auch der Imkerei zugewandt. „Seit zwei Jahren steht auf jeder Wiese ein Bienenkasten. Für die Bestäubung der Blüten ist also auch gesorgt.“
Ansonsten bleibt Reiner Günthner-Müller jedoch bei seinem Vorsatz: „Den Markt überlasse ich anderen.“ Ob er sich wohl umentscheidet, wenn sein Saft beim Kontakt mit den Jury-Gaumen im kommenden Jahr erneut so hervorragend abschneidet?
Verkostung und Erfolge aus dem Kreis Böblingen
Prämierung
Die jeweils Bestplatzierten wurden vom stellvertretenden Landrat und Umweltdezernenten Martin Wuttke im Rahmen des Kreis-Obst-, Garten- und Weinbautags am Samstag in Herrenberg gekürt. Nicht nur die (Günthner-)Müllers waren erfolgreich: Platz zwei ging an Martin Esslinger aus Leonberg. Den vierten Platz holte der Obst- und Gartenbauverein Weil der Stadt.
Tradition
Sieger Reiner Günthner-Müller, natürlich Mitglied im Obst- und Gartenbauverein (OGV) Höfingen, sagt: „Aus dem OGV ist jedes Jahr einer unter den ersten Fünf dabei.“