Dieses Mal war die Streuobsternte sehr verhalten und manche Kiste füllten sich nicht so leicht oder gar nicht. Foto: Eva Schäfer

Streuobstexperte Andreas Hieber berichtet, wie die Ernte seiner Einschätzung nach ausfiel und nennt die Gründe. In Weinstadt dreht sich am Sonntag alles rund um Äpfel und Co.

Klein und gelb, dann groß und rotbackig oder oval und herzförmig: Jeder Apfel sieht anders aus, riecht anders, schmeckt anders und fühlt sich anders an – das macht die Vielfalt des Streuobstes aus. Doch dieses Jahr waren diese Schätze rarer. Die Apfelernte ist in den Endzügen – diesmal gab es im Rems-Murr-Kreis beim Streuobst deutlich weniger Menge, sodass manche Apfelsaftaktion abgeblasen wurde – etwa jene am Urbacher Freibadparkplatz.

 

Der Streuobstexperte sieht die Alternanz als Grund für die geringe Ernte

Der Streuobstexperte Andreas Hieber vom Obst- und Gartenbauverein (OGV) Leutenbach schätzt, dass in diesem Jahr etwa 30 Prozent der Normalernte eingefahren wurde. In Berglen sei fast gar nichts an den Bäumen gehangen. Er geht davon aus, dass es an der Alternanz liegt. Das Phänomen Alternanz bedeutet, dass der Baum nur jedes zweite Jahr Obst in größeren Mengen trägt. So kommt es vor, dass die Bäume ein Jahr übervoll mit Früchten hängen, das Folgejahr aber praktisch keinen Ertrag bringt. Ein Grund sei, dass dann die Kraft zum Blütenansatz fehle.

So vielfältig sind die Streuobstsorten. Foto: Eva Schäfer

Wie auch der Deutsche Wetterdienst bilanziert, stand zwischen einem niederschlagsarmen Juni und einem abermals trockenen August der Juli als niederschlagsreicher und mit gewittrigen Starkregen durchsetzter Gegenpol. „Der Regen ist noch rechtzeitig für die Fruchtentwicklung gekommen“, sagt der Streuobstexperte.

Für 100 Kilogramm Streuobst werde bei verschiedenen Annahmestellen etwa in Burgstetten 16 Euro für konventionelles Obst gezahlt, für biozertifiziertes 25 Euro. „Reich werden Sie damit nicht“, sagt Hieber. Es stecke Begeisterung und Überzeugung im Streuobstbau.

Begeisterung ist auch beim OGV Oeffingen zu spüren, mit innovativen Ideen spricht der Verein Engagierte verschiedener Generationen an.

Ein vielseitiges Programm für die ganze Familie gibt es beim Streuobsttag in Weinstadt (Symbolfoto). Foto: PS Media

Der vierte Termin zur Apfelannahme wurde mangels Masse abgeblasen

Christoph Rogowsky vom OGV Oeffingen sagt: „Wir wachsen und steuern Richtung 500 Mitglieder.“ Der Fachwart fügt an: „Wir freuen uns über die große Unterstützung von vielen Seiten und dafür bedanke ich mich.“ Wolfgang Zangenberg vom OGV Oeffingen berichtet, dass die Ernte des OGV mit 4,5 Tonnen Streuobst verhalten sei. Man habe eigens aufgerufen, Äpfel vorbeizubringen und manche seien sogar mit Eimer und Säckle vorbeigekommen. „Wir haben sozusagen alles zusammengekratzt“, sagt Zangenberg. Das Ziel sei gewesen, dass es wieder Oeffinger Apfelsaft gibt, der in Kooperation mit Rewe Aupperle vermarktet werde. „Wir wollen diese Kontinuität erhalten“, so Zangenberg. Drei Termine zur Apfelannahme hat es gegeben. „Den vierten brauchten wir nicht mangels Masse“, so der Fachwart. Für 100 Kilo habe es 15 Euro gegeben. Eine Unterscheidung zu biozertifizierten Früchten werde nicht geboten, das sei zu aufwendig. Er habe jedoch wahrgenommen, dass es sehr viele Quitten und sehr viele Nüsse gebe.

Auch beim Weinstädter Streuobsttag am Sonntag, 19. Oktober, wird für die Streuobstwiesen, die ein Aushängeschild des Remstals als wertvolle Kulturlandschaft sind, geworben.

Andreas Hieber, der auch als langjähriger Vorsitzender des KOV fungierte, wird dort präsent sein und über sein Projekt eines Erhaltungsnetzwerkes informieren.

Folgende Idee steckt dahinter: Lokale Sorten sollen bewahrt werden, indem sie als junge Bäume an verschiedenen Standorten in der Region wachsen. „Die alten Bäume sterben bald, dann ist der Genpool dieses Apfels womöglich verschwunden. Wenn sie weg sind, sind sie weg“, sagt Hieber. Beispiel: Der Schnaiter Brachetapfel, der Aldinger Apfel oder die Zerweck Birne in Fellbach.  „Doch es geht nicht darum, ein Obstbaumuseum aufzubauen“, macht Hieber deutlich. Es lohne sich nicht, jede alte Sorte zu erhalten. Entscheidend sei, wie robust, vital und resistent sich eine bestimmte Sorte zeige. Die ausgewählten lokalen Sorten sollen dann als junge Bäume über einige Jahre zeigen, wie sie mit dem Klimawandel und den dadurch steigenden Wetterextremen umgehen können. „So kann eine genetische Vielfalt erhalten werden“, so Hieber. Genetische Vielfalt erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass die Arten auch unter veränderten klimatischen Bedingungen bestehen können.

Mitstreiter für den Erhalt von alten lokalen Apfelsorten gesucht

Für dieses Projekt suche er weitere Mitstreiter. Denn die jungen Bäume sollen an möglichst unterschiedlichen Standorten wachsen. An den alten Bäumen könne man die Vitalität nicht wirklich beurteilen. „Das sind Großvater-Bäume“, sagt Hieber, „ein 90-jähriger Mensch hat ja auch nicht die gleiche Energie wie ein 30-Jähriger.“

Viele kennen auch den großen runden Brettacher. Das sei eine Sorte, die Bekanntheit weit über die Region hinaus erlangt habe. Auch der Bittenfelder gehöre dazu. Viele Bäume stammten aus den 1930er Jahren, als die Menschen noch selten ein Auto besaßen. Dadurch seien sehr lokal begrenzte Sorten durch Zucht oder als Zufallssämling entstanden.

Man kann mitgebrachte Äpfel beim Streuobsttag bestimmen lassen

Wer wissen will, was für ein Apfelbaum auf seinem Stückle wächst, dem bietet sich am Sonntag eine besondere Gelegenheit: Mitgebrachte Äpfel oder Birnen werden dort von Experten bestimmt. Am Sonntag, 19. Oktober, laden Weinstädter Vereine, Unternehmen und Institutionen von 11 bis 17 Uhr zum Weinstädter Streuobsttag in den Bürgerpark Grüne Mitte ein. Das Gemeinschaftsprojekt, unterstützt durch die Stadt, bietet ein abwechslungsreiches Programm für die ganze Familie. Kulinarisch ist ebenfalls für Vielfalt gesorgt: Produkte von der Streuobstwiese können probiert und gekauft werden, dazu gibt es Herzhaftes vom Grill und aus dem Suppentopf, Getränke, Kaffee und Kuchen. Der Eintritt ist frei. Informationen unter: www.streuobstwerkstattweinstadt.de