Blumenkränze liegen bei einer Gedenkveranstaltung (Symbolbild). Foto: dpa-Zentralbild

Die Juden in Württemberg sprechen von einem veränderten Klima: Sie registrieren mehr antisemitische Äußerungen. Ein Antisemitismusbeauftragter des Landes tue Not. Ob er kommt, ist noch unklar.

Stuttgart - Einem verstärkt antisemitischen Klima könnte ein Antisemitismusbeauftragter des Landes aus Sicht der jüdischen Gemeinde in Württemberg entgegenwirken. Er könne die Entwicklung von antisemitischen Vorfällen im Auge behalten und die Bevölkerung dafür sensibilisieren, sagte Barbara Traub, Sprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW), in Stuttgart. „Wenn ein solcher Antisemitismusbeauftragter im Südwesten eingesetzt würde, würden wir dies begrüßen.“ In einem gemeinsamen Antrag fordern auch Grüne, CDU, SPD und FDP im Landtag die Landesregierung auf, einen Antisemitismusbeauftragten zu berufen.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) steht dem aufgeschlossen gegenüber und ließ zuletzt wissen, dass er ernsthaft darüber nachdenke. Baden-Württemberg wäre nach Rheinland-Pfalz das zweite Bundesland mit einem solchen Interessenvertreter.

71 antisemitische Straftaten in den ersten drei Quartalen

Traub berichtete von einer verschlechterten Atmosphäre: „Was wir generell merken ist, dass die Hemmschwelle für antisemitische Äußerungen geringer wird.“ Auf Schulhöfen werde die Anrede „Du Jude“ als Schimpfwort benutzt. Ein Beauftragter könne solche Phänomene aufgreifen und Programme gegen Antisemitismus bei Jugendlichen anstoßen. „Die für die Bildungsarbeit so wichtigen Zeitzeugen sterben, und wir müssen Ersatz dafür finden.“ Der Beauftragte könne sich auch darum kümmern, dass antisemitische Einstellungen von Flüchtlingen, die aus dem arabischen Raum stammen, in Baden-Württemberg keinen Nährboden fänden.

In den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres wurden im Südwesten 71 antisemitische Straftaten erfasst, überwiegend Volksverhetzungs- sowie Propaganda- und Sachbeschädigungsdelikte. Die Straftaten gingen hauptsächlich auf das Konto der politisch motivierten Kriminalität von rechts. Der bisher erhobene Wert für 2017 liegt in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. In den Jahren zuvor wurden deutlich mehr Fälle registriert.

Die IRGW zählt knapp 3000 Gemeindemitglieder, ihr badisches Pendant über 5000.