Die August-Lämmle-Schule in Oßweil. Der Name erhitzt die Gemüter im Ort. Foto: Simon Granville/Simon Granville

Muss die August-Lämmle-Schule im Ludwigsburger Stadtteil Oßweil umbenannt werden? Diese Frage wird kontrovers diskutiert. Historiker sehen in dem Dichter einen Verehrer Adolf Hitlers und Antisemiten. Der Gemeinderat soll Anfang November entscheiden.

Ludwigsburg - Der Heimatdichter August Lämmle habe in einem seiner Texte den sogenannten Arierparagraphen der Nationalsozialisten und die „Beseitigung der Fremdstämmigen aus der Führung des deutschen Volkes und Staates“ gepriesen. Dieses Zitat des speziell in Oßweil nach wie vor hoch geschätzten Autors (1876 bis 1962) präsentiert der Historiker Stephan Molitor am Dienstagabend bei einer Veranstaltung der Volkshochschule im Forum, bei der es um eine in Ludwigsburg kontrovers diskutierte Frage geht: Soll - oder muss - die August-Lämmle-Schule in Oßweil umbenannt werden? Molitor wird gegen Ende der moderierten Podiumsdiskussion erklären, er sei eigentlich „kein Freund von Umbenennungen“. Er erklärt mit Blick auf die Lämmle-Aussagen, die er bei seinen aktuellen Recherchen in alten Unterlagen gefunden hat, allerdings: „Wenn das kein antisemitisches Zitat ist, dann weiß ich auch nicht.“

 

Der Dichter tritt früh der NSDAP bei

Die Diskussionsrunde soll helfen, ein Stimmungsbild in der Stadt zu erkunden. Auf dem Podium sitzen vier Protagonisten, die sich mehr oder weniger deutlich positionieren. Jochen Faber, Vorsitzender des Fördervereins Synagogenplatz Ludwigsburg, sagt klipp und klar: ein Mann wie Lämmle dürfe keinesfalls Namensgeber der Grundschule in dem rund 11 000 Einwohner zählenden Stadtteil bleiben. Der Name Lämmle sei „toxisch“. Ganz ähnlich argumentiert Ingrid Hönlinger, die Vorsitzende des Fördervereins der Zentralen Stelle zur Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen. Lämmle, sagt sie, sei eins der ersten Mitglieder der NSDAP gewesen, zudem habe er in einem Buch 1940 Adolf Hitler verherrlicht.

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Ganz anders argumentiert Hans Ulrich Jordan vom Freundeskreis August Lämmle. Der Mundartdichter, der 15 Jahre lang in Oßweil gelebt hat, sei lediglich ein Mitläufer im NS-Staat gewesen, wie ganz viele andere auch. Ihm, Jordan, seien keine antisemitischen Äußerungen oder Taten Lämmles bekannt. Später allerdings wird Jordan sich vom Historiker Molitor eine Kopie des Textes mit den Äußerungen zum Arierparagraphen geben lassen. Sollten die Aussagen zutreffen, dann „könnte ich das aber nicht akzeptieren“. Lämmle, so Jordan sinngemäß weiter, habe schöne Gedichte geschrieben, er gehöre schlicht zu Oßweil. Es fällt sogar das Wort „Nationalheiliger“. Mit dem Eintritt in die NSDAP schon im Jahr 1933 habe Lämmle sich nur „ein angenehmes Leben sichern wollen“.

Bürgerverein sieht mehrheitlich keinen Handlungsbedarf

Die wohl schwierigste Rolle an diesem Abend hat Kai Naumann, der erst kürzlich ins Amt gewählte Vorsitzende des Bürgervereins Oßweil. Sein Verein, sagt er, sei mehrheitlich der Ansicht: eine Umbenennung der Schule sei „nicht nötig“. Der Verein habe allerdings nur 200 Mitglieder – was wohl heißen soll: dieser spreche keinesfalls für die Mehrheit der Bürger im Ort. Zu vorgerückter Stunde wird Naumann durch die Blume erklären, dass er persönlich in Richtung Namensänderung tendiere. Womöglich hat ihn auch das Referat des Historikers bestärkt. Molitor hatte unter anderem von einer „gefährlichen Nähe“ Lämmles zur NS-Propaganda gesprochen und gesagt, der Dichter sei zumindest einmal „Stargast einer Propagandaveranstaltung“ der Nazis gewesen.

Der Name Lämmle soll nicht aus der Chronik gelöscht werden

Einig sind sich die Kontrahenten auf dem Podium bei zwei Punkten. Erstens: die Person Lämmle sollte keinesfalls gelöscht werden – ein Vorwurf, der aus den Reihen des Publikums kommt. Es gehe vielmehr darum, Wege zu finden, damit sich die Bürger mit dem Leben und Wirken des Dichters auseinandersetzen könnten. Und zweitens: Über die Namensänderung müsse und solle schlussendlich nur der Ludwigsburger Gemeinderat entscheiden.

Das Thema steht Ende Oktober auf der Tagesordnung des Ausschusses für Bildung, Sport und Soziales (BSS). Laut Auskunft der Ersten Bürgermeisterin Renate Schmetz soll das Ludwigsburger Kommunalparlament dann Anfang November entscheiden. Es bleibt spannend.