Wie im Sonntagskrimi: Polizeibeamte sichern das Gebäude. Die Maschinenpistolen sind aber Attrappen. Foto:  

Polizeibeamte, Feuerwehrleute, Sanitäter und Notärzte simulieren einen Rettungseinsatz für einen Überfall auf eine Party, der mit 43 Verletzten endet. Dabei trainieren sie, wie sie in höchster Gefahrenlage Schwerverletzte bergen und versorgen.

Aidlingen - Die Aidlinger Feuerwehr feiert. Biertische stehen in der mit Luftballons dekorierten Fahrzeughalle. Die Besucher sind ausgelassen. Plötzlich gibt es einen lauten Knall vor der Eingangstüre. Ein Mann mit Waffe rennt durch das Haus, bedroht jeden, der sich ihm in den Weg stellt. Schüsse fallen, in der Halle explodiert ein Sprengsatz. Überall liegen verletzte Menschen, manche grauenvoll verstümmelt, manche schreien laut vor Schmerzen.

Für Polizei und Rettungskräfte ist das eine äußerst schwierige Lage. Wie viele Verletzte gibt es? Wie viele Täter? Sind diese noch immer in Haus? Bevor die Sanitäter und Notärzte ins Gebäude dürfen, um die Verletzten zu bergen und zu versorgen, muss die Polizei das Haus erst sichern. Wenige Minuten nach der ersten Explosion treffen schwer bewaffnete Polizisten ein. Die Köpfe durch Helme geschützt, die Gesichter maskiert, im Anschlag Maschinengewehre.

43 Ehrenamtliche mimen die Schwerverletzten

Zum Glück ist dieses Szenario nicht echt. Doch passieren könnte es so oder ähnlich jederzeit. Amokläufe und Terroranschläge gehören heute zum möglichen Einsatzprofil nicht nur von Polizisten, sondern auch von Feuerwehrleuten, Sanitätern und Notärzten. Deshalb organisiert die Johanniter Unfallhilfe Einsatztrainings für solche Situationen.

„So etwas gab es bis vor kurzem nicht“, sagt Jan Klarck, der Leiter der Fortbildung Rettungsdienst der Johanniter. Der frühere Soldat kennt realistische Trainingssettings von der Bundeswehr. Gemeinsam mit Karsten Ladehof, einem Facharzt für Notfallmedizin und Dozenten für Krisenmanagement, hat er das Trainingsprogramm entwickelt. Es machen nicht nur Mitglieder der Johanniter, sondern auch des Roten Kreuzes, der Aidlinger Feuerwehr, der Stuttgarter Berufsfeuerwehr sowie 20 Beamte des Ludwigsburger Polizeipräsidiums mit. 90 Helfer sind dabei sowie 43 Ehrenamtliche, die als Verletzte mitspielen. Das Ziel des Trainings: das Vorgehen und die Zusammenarbeit der Rettungskräfte und Helfer in Extremsituationen zu üben. Das Szenario in Aidlingen: Ein wegen Brandstiftung aus der Feuerwehr ausgeschlossener Mann rächt sich mit einem Amoklauf beim fröhlichen Feuerwehrfest.

Beobachtet werden die Teilnehmer während der gesamten Übung von Dozenten der Polizeihochschule, der Bundeswehr und des Deutschen Instituts für Katastrophenmedizin. Sie wachen mit Argusaugen über jeden Handgriff, notieren zu jedem Teilnehmer der Übung, was dieser im Ernstfall anders machen sollte.

Theaterblut für realistische Übung

So realistisch wie möglich soll die Übung sein. Deshalb haben sich die 43 ehrenamtlichen Johanniterhelfer, die die Verletzten spielen, intensiv auf ihre Rolle vorbereitet. Jedem wurde eine Verletzung zugewiesen, die mit Theaterblut und -Requisiten nachgestellt wird. Täuschend echt aussehende zerfetzte Arme und Beine haben sich manche umgeschnallt. Und so haben die Ereignisse im Feuerwehrhaus etwas sehr Beklemmendes: Blutlachen auf dem Boden, dazwischen schwer verletzte und traumatisierte Menschen. „Helft mir, helft mir“, schreit eine Frau unentwegt. Und über allem schwebt die Angst: Wo ist der Täter?

Die schwer bewaffneten Beamten tasten sich von Zimmer zu Zimmer vor. „Gesichert“, ruft einer ins Mikrofon. „Zwei Verletzte im Umkleideraum“. Aus der noch ungesicherten Halle ziehen die Beamten die verletzten Personen in die gesicherte Zone. Dort können nun endlich die Sanitäter und Notärzte die Schwerverletzten versorgen.

Die Polizei schnappt den Täter

„Der Täter versteckt sich hinter dem Feuerwehrauto“, flüstert ein Verletzer einem Polizisten zu. Jetzt geht es schnell. Zwei Beamte richten ihre Maschinenpistolen auf den bärtigen Mann. Dem bleibt nichts anderes übrig, als sich zu ergeben. Er wird abgeführt. Unter dem Wagen findet ein Polizist die Waffe des Attentäters.

Nach der Übung ist vor der Übung. Im zweiten Block wird ein weiterer Ernstfall geübt: Zwei Terroristen überfallen eine wichtige Behörde.

Am Ende erhält jeder Teilnehmer ein persönliches Feedback. Auch wenn keiner hofft, jemals bei einem solchen Einsatz dabei sein zu müssen: Die 90 Polizisten, Feuerwehrleute, Notärzte und Sanitäter wissen nun ganz genau, auf was es im Ernstfall ankommt.