Gefährlicher Einsatz: Foto: dpa

Die Anschläge von Paris schockierten die Welt. Die grün-rote Landesregierung will Baden-Württemberg nun besser gegen den Terror wappnen – doch nicht alle sind zufrieden.

Stuttgart - Baden-Württembergs Landesregierung will ihrem Sonderprogramm „Bekämpfung des islamistischen Terrorismus“ sofort Leben einhauchen. Deshalb müssten, schreiben die SPD-Minister Reinhold Gall (Innen) und Rainer Stickelberger (Justiz), „in einem ersten Schritt erfahrene Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in die neuen Aufgabenbereiche umgesetzt werden“. Erst in einem zweiten Schritt sollen dann mehr Polizisten ausgebildet werden.

Von den 105 zusätzlichen Terrorfahndern kommen allerdings nur sieben bei dem Ermittlern des Landeskriminalamtes (LKA) an. Dem überträgt – anders als in vielen anderen Bundesländern – die Durchführungsverordnung zum baden-württembergischen Polizeigesetz die Ermittlungen in allen Fällen, die mit Terrorismus in Verbindung zu bringen sind. Daraus ergibt sich auch, dass die LKAler die Rückkehrer aus dem Kriegsgebieten im Irak und Syrien zu überwachen haben, denen die Teilnahme an Kämpfen nachgewiesen werden kann.

Ein zweiter Islamwissenschaftler soll zudem künftig seinen in Teilzeit beschäftigten Kollegen verstärken. Notwendig sind die arabisch sprechenden Akademiker, um beispielsweise Webseiten oder Einträge in sozialen Netzwerken ebenso zu übersetzen wie mitgeschnittene Telefonate.

Im Internet recherchieren, dort Beweise sichern, Daten analysieren und gezielt Websites mit islamistischen Inhalten überwachen sollen künftig acht Spezialisten. Die müssten eng mit den Ermittlern zusammenarbeiten, die Terrorverdächtigen auf der Spur sind. Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologisches Forschungsinstituts Niedersachsen in Hannover, fordert ein „Arbeiten Hand in Hand in solchen Ermittlungsgruppen“. Nur so sei garantiert, dass den Fahndern „keine Hinweise entgehen, die in den virtuellen Welten ja auch in Arabisch, Türkisch oder Bosnisch verfasst werden“.

Islamisten, die in den Heiligen Krieg reisen wollen, planen ihre Reise oft über soziale Netzwerke wie Facebook oder WhatsApp. Erst kürzlich rieten in Syrien kämpfende Gotteskrieger Dschihad-Interessierten, Deutschland statt über Österreich besser über die Schweiz zu verlassen. Auf der Strecke kontrolliere die Polizei weniger.

Aber: Das Sonderprogramm der Landesregierung sieht keine Mittel dafür vor, dass die acht Computerspezialisten auch bei den Islamismus-Fahndern angesiedelt werden können und zusammen arbeiten – weder im Landeskriminalamt noch bei den zwölf Polizeipräsidien. Von „handwerklichen Schnitzern in einem schnell zusammengezimmerten Programm“ spricht der Fraktionschef der Südwest-FDP, Hans-Ulrich Rülke.

Rülke freut sich zwar, dass für das Landesamt für Verfassungsschutz zwar 15 Stellen geschaffen werden, er bemängelt aber, dass gleichzeitig alleine im laufenden Haushaltsjahr zwölf Geheimen der Arbeitsplatz gestrichen wird. Insgesamt hält die grün-rote Landesregierung daran fest, 20 Stellen des Geheimdienstes zu streichen.

Offenbar nicht das Ende der geplanten Streichungen bei den Agenten. Geht es nach den Grünen, werden künftig die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden verstärkt sogenannte „Gefährder“ ansprechen. Das sind Menschen, von denen Polizisten vermuten, sie könnten eine „Straftat von erheblicher Bedeutung begehen“. Das sind beispielsweise Attentate. Solche „Gefährderansprachen“ wollen die Grünen zum Anlass nehmen, bis zum Jahresende zu prüfen, ob bislang im Landesamt für Verfassungsschutz angesiedelte Präventionsmaßnahmen „im Bereich des nicht gewaltbereiten Extremismus“ der Landeszentrale für politische Bildung zugeschlagen werden kann – also weitere Stellen bei den Geheimen abgebaut werden können. Einziger Pferdefuß dieses Plans: Baden-Württembergs Verfassungsschützer kümmern sich aktuell vorbeugend nur um gewaltbereite Extremisten. Ein Geheimdienstler süffisant: „Schwer vorzustellen, dass die Landeszentrale für politische Bildung diese Aufgabe übernehmen will.“

Zumal sich um diese Klientel meistens auch Staatsanwälte und Richter kümmern. Die Justiz, so sieht es das Sonderprogramm vor, sollen um elf Juristen verstärkt werden. Profitieren sollen davon der Generalstaatsanwalt in Stuttgart sowie die Ankläger in Karlsruhe und in der Landeshauptstadt. Zudem soll das Oberlandesgericht Stuttgart drei und die Landgerichte Stuttgarts und Karlsruhes weitere drei Richter einstellen können.

Das Programm, unkt der Liberale Rühlke, sei „wohl lediglich ein Kompromiss zwischen grüner Passivität und rotem ‚Wir müssen ein Zeichen setzen’“. CDU-Mann Karl Zimmermann verweist auf die vielen „personalintensiven Maßnahmen“ wie der Observation von Rückkehrern aus Kampfeinsätzen hin. Die Landesregierung habe hier bereits viel Zeit verstreichen lassen. um auf diese Entwicklungen zu reagieren. Daher sei das jetzige grün-rote Anti-Terror-Paket nicht ausreichend.