Frankreich – hier Polizisten in Paris – verschärft den Kampf gegen Islamisten Foto: dpa

Frankreich verschärft den Kampf gegen Islamisten. Für Terrorexperten ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Attentäter von Paris in Deutschland Nachahmer finden – Fragen und Antworten.

Paris/Berlin/Stuttgart - Was plant Frankreich?
Nach dem beispiellosen Gedenkmarsch am Sonntag, der in ganz Frankreich mehr als 3,7 Millionen Menschen mobilisiert hat, versucht sich das Land zu ordnen. Noch immer steht es unter dem Eindruck der grausamen Anschläge auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und einen koscheren Supermarkt in Paris mit insgesamt 20 Toten, darunter den drei Attentätern Chérif und Said Kouachi und Amedy Coulibaly. Die Herausforderungen sind groß. Wie kann dem Terror-Risiko begegnet und die jüdische Gemeinschaft besser geschützt werden, die einmal mehr zur Zielscheibe wurde? Verließen im vergangenen Jahr mehr als 6000 französische Juden das Land, in dem sie sich nicht mehr sicher fühlten, dürfte ihre Zahl nun noch zunehmen. Und wie lässt sich das Gefühl des Zusammenrückens der Nation gegen den Terror bewahren? Der „Geist des 11. Januar“ solle weiter bestehen bleiben, sagte Premierminister Manuel Valls am Montag beim Besuch einer Polizeipräfektur. Was aber ebenfalls bleibt, ist die Gefahr weiterer Attentate. Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian kündigte an, 10 000 Soldaten zum Schutz der Bevölkerung und „besonders empfindlicher Orte“ abzustellen. Zum ersten Mal würden die Kräfte des Landes in diesem Umfang mobilisiert. Weiterhin gilt die oberste Terrorwarnstufe. Innenminister Bernard Cazeneuve erklärte, 4700 Personen für den Schutz von 717 jüdischen Schulen und Religionshäusern einzusetzen, den ein neu ernannter Präfekt koordinieren soll. Seit den Terroranschlägen militanter Islamisten häufen sich in Frankreich Vorfälle, die sich gegen Muslime richten. Darauf wies ein Observatorium der islamischen Dachorganisation in Frankreich (CFCM) am Montag unter Berufung auf Zahlen des Innenministeriums hin. Demnach hat es seit dem vergangenen Mittwoch mehr als 20 antimuslimische Aktionen gegeben, darunter Schüsse oder Sprengsätze auf Moscheen.
Wie reagieren die USA?
US-Außenminister John Kerry will nach Kritik am Fehlen hochrangiger US-Politiker beim Gedenkmarsch für die Terror-Opfer von Paris nach Frankreich reisen. Er werde am Donnerstag und Freitag Paris besuchen, um Solidarität zu zeigen, sagte Kerry.
Was plant die Bundesregierung?
Die Sicherheitslage in Deutschland hat sich nach den islamistischen Terroranschlägen von Paris nicht geändert. „Sie war vorher ernst. Sie gibt Grund zur Sorge, auch zur Vorsorge, aber nicht zu Panik und Angst“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière im TV-Sender Phoenix. Besorgt zeigte sich der CDU-Politiker über mögliche Nachahmungstaten. Um die Ausreise gewaltbereiter Salafisten in Krisengebiete wie Syrien zu verhindern, soll das Personalausweisgesetz geändert werden. Ein Gesetzentwurf aus dem Innenministerium wird an diesem Mittwoch ins Kabinett eingebracht. Danach müssen Verdächtige künftig nicht nur ihren Reisepass abgeben, sondern auch den Personalausweis. Ziel ist es, Reisen radikaler Islamisten in Kampfgebiete zu verhindern, auch weil von Rückkehrern besondere Gefahr ausgeht. Ist der Verdächtige schon ausgereist, fällt er – weil sein Ausweis dann nicht mehr gültig ist – bei seiner Rückkehr auch in anderen Schengen-Staaten auf.
Was ist sonst noch geplant?
Die „Terrorismusfinanzierung“ wird als eigener Straftatbestand eingeführt. Darunter könnte auch das Sammeln von Spenden fallen, um Reisekosten von „Dschihadisten“ zu finanzieren. Mit der geplanten Strafrechtsverschärfung setzt Deutschland eine UN-Resolution von 2014 in nationales Recht um. Künftig sollen nicht nur Dschihadisten belangt werden, die aus Krisengebieten zurückkehren, sondern auch, „wer Deutschland verlassen will, um sich an schweren staatsgefährdenden Gewalttaten im Ausland zu beteiligen oder um sich für die Teilnahme an schweren Gewalttaten ausbilden zu lassen“. Wer in ein Terroristen-Ausbildungslager gereist ist, macht sich heute schon strafbar. Demnächst reicht es schon, wenn jemand die Absicht dazu hat. Der Entwurf aus dem Haus von Justizminister Heiko Maas (SPD) soll in den kommenden Wochen mit den anderen Ministerien und den Verbänden abgestimmt werden.
Was ist mit den Fluggastdaten?
Die Bundesregierung macht sich für den Austausch und die Speicherung von Fluggastdaten in Europa stark. Ein entsprechendes Abkommen, wie es zwischen der EU und den USA besteht, scheitert bislang am Widerstand des Europäischen Parlaments. Nach den Anschlägen von Paris wollen die EU-Innenminister hierzu neue Gespräche mit dem Parlament führen.
Was gibt es sonst noch?
Ebenso wie Sicherheitsbehörden möchte die Union Telefon- und Internetdaten zur Verbrechensbekämpfung speichern. Die SPD lehnt die Vorratsdatenspeicherung strikt ab. Gemeint ist die flächendeckende Erfassung, wann wer mit wem wie lange telefoniert oder SMS und E-Mails schreibt.
Wie ist die Lage im Südwesten?
Konkrete Anschlagspläne gibt es laut Sicherheitsbehörden zwar noch nicht. Islamkritik im Zusammenhang mit dem Propheten Mohammed oder mit dem Koran könne aber schwerwiegende Reaktionen nach sich ziehen. Dazu zählen Demonstrationen, Anschläge, Tötungen oder Stürmungen von Botschaften. Die Verunglimpfung und Beleidigung des Propheten – darunter fällt auch seine bildliche Darstellung – stehen auf der Liste der möglichen Provokationen auf Platz eins.
Was tut der Südwesten nach Paris?
Nach der Terrortat von Paris haben die Sicherheitsbehörden im Land „den Aufenthalt der islamistischen Gefährder im Land überprüft“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Montag. Dabei handle es sich um eine „niedrige zweistellige Zahl. Mehr könne er derzeit dazu nicht sagen. Der Geheimdienst in Baden-Württemberg beobachtet im Südwesten 17 Objekte und Vereinigungen des radikalislamischen Salafismus. Im Fokus stehen dabei vor allem die Al-Baraka-Moschee in Pforzheim, die Umma-al-Faruk-Moschee in Mannheim, die Masdschid-us-Sahabe-Moschee in Stuttgart und die Ibad-ur-Rahman-Moschee in Freiburg. Aber auch Objekte in Sindelfingen, Ulm, Karlsruhe und Mannheim stehen unter Beobachtung.
Wer wird beobachtet?
Rund 7000 Leute werden bundesweit inzwischen der Salafistenszene zugerechnet, 550 davon leben in Baden-Württemberg. Mehr als 550 radikale Islamisten aus Deutschland (davon 30 aus Baden-Württemberg) sind bislang in das Kampfgebiet nach Syrien und in den Irak ausgereist. Die Zahl geht seit langem kontinuierlich nach oben. Viele haben sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Etwa 180 der Ausgereisten sind inzwischen wieder in Deutschland, zwei davon leben in Baden-Württemberg, einem wird zurzeit der Prozess in Stuttgart gemacht. Rund 60 Islamisten aus Deutschland sind laut Verfassungsschutz in Syrien und dem Irak gestorben, vier davon stammen aus Baden-Württemberg. Sie lebten in Villingen-Schwenningen, Schwieberdingen und Ditzingen (beide Kreis Ludwigsburg) sowie Kirchheim/Teck.
Was ist mit dem Ulmer Islamisten Reda Seyam?
Der Verbleib von Reda Seyam, der vor einigen Jahren in der Ulmer Szene aktiv war, ist unklar. Seyam wird verdächtigt, als Hintermann an den Sprengstoffanschlägen von Bali im Jahr 2002 beteiligt gewesen zu sein. Der Ägypter soll nach unbestätigten Angaben im Dezember im irakischen Mossul ums Leben gekommen sein.