In den frühen Morgenstunden schlagen die Ermittler zu, auch in Pulheim in Nordrhein-Westfalen – im Visier: die mächtige Mafia-Organisation ‚Ndrangheta, Dutzende mutmaßliche Mitglieder werden gefasst. Foto: dpa

Die jüngsten Erfolge sind vor allem Anlass, endlich wach zu werden im Rest Europas. Die Mafia ist hier. Auch wenn man sie kaum sieht – hier muss sie weiter bekämpft werden, meint unser Kommentator Christoph reisinger.

Stuttgart - Eine Super-Woche für die Ermittler, europaweit. Rund 90 Angehörige der italienischen Mafia-Formation `Ndrangheta gehen beim Zugriff Hunderter Polizisten ins Netz, 14 davon in Deutschland. Kurz zuvor fliegt in Palermo die kürzlich neu formierte Spitze der Cosa Nostra auf; Settimo Mineo, mutmaßlich ihr aktueller Boss der Bosse, ist gefasst. Zur selben Zeit setzen Carabinieri im apulischen Bari 14 mutmaßliche Jung-Mafiosi fest. Respekt!

Nur, der Ermittler-Jubel kommt verfrüht, „der entscheidende Schlag“ sei gelungen. Schließlich haben die Fahndungserfolge vor allem eines aufgedeckt: die enorme Zählebigkeit der Mafia. Der 80-jährige Mineo wurde 1986 erstmals verurteilt, hat zwei lange Haftstrafen hinter sich. Das hinderte ihn nicht, immer wieder in alte Funktionen zurückzukehren. Was nur geht, wenn die alten Regeln, die alten Strukturen bis heute intakt sind. Obwohl Superbosse vom Kaliber eines Bagarella, Provenzano oder Riina nach angeblich „entscheidenden“ Fahndungserfolgen schon vor Jahren, ja Jahrzehnten hinter Gittern verschwunden sind.

Irrwitzige kriminelle Gewinne

Welche Gefahr von dieser Zählebigkeit ausgeht, das offenbart der Schlag gegen die `Ndrangheta. Nicht das heimatliche Kalabrien war Fahndungsschwerpunkt. Belgien, Deutschland, die Niederlande sind zu Hauptschauplätzen dieser Form von Kriminalität geworden. Dort werden die irrwitzigen kriminellen Gewinne gewaschen und investiert, da liegen die großen Drogenmärkte, da lohnt es sich für die Mafia am meisten , legale Wirtschaft und Politik zu infiltrieren.

Mit anderen Worten: Die jüngsten Erfolge sind vor allem Anlass, endlich wach zu werden im Rest Europas. Die Mafia ist hier. Auch wenn man sie kaum sieht – hier muss sie weiter bekämpft werden.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de