Rund 650 Teilnehmer machen ihrem Unmut gegenüber Landkreis und Umweltministerium in Schwieberdingen Luft: Sie demonstrieren gegen die Ablagerung von Bauschutt des Atomkraftwerks Neckarwestheim auf Kreisdeponien.
Schwieberdingen - „Schwieberdingen strahlt was aus – Danke AVL“, „Auch ein grünes AKW ist ein AKW“ oder „Ich bin so wütend, ich habe sogar ein Schild dabei“: Bei einer Protestkundgebung in Schwieberdingen am Montagabend haben Bürger, Stadträte und Kreisräte dagegen demonstriert, dass der Landkreis 3350 Tonnen sogenannten freigemessenen Bauschutt vom Atomkraftwerk Neckarwestheim auf seinen Deponien ablagert. „7500 Unterschriften dagegen waren wohl nicht genug“, sagte Dierk-Christian Vogt, einer der Sprecher der Interessengemeinschaft Deponien Schwieberdingen-Horrheim, die die Kundgebung veranstaltete. Der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas sowie der grüne Umweltminister Franz Untersteller sollten von Schwieberdingen aus ein „klares Signal bekommen“, so Vogt.
Die Kundgebung mit knapp 650 Teilnehmern startete nahe des Bahnhofs im Festzelt des Musikvereins, der dieser Tage sein Musikfest feiert. Nach einigen Redebeiträgen zogen die Demonstranten, begleitet von Landwirten mit ihren Traktoren und dem Markgröninger Fanfarenzug, weiter zum Schlosshof vor dem Rathaus für die finale Kundgebung.
Der Kreistag soll am Freitag entscheiden
Am Freitag entscheidet der Kreistag darüber, ob der Landkreis den Schutt annimmt oder ob er Protest dagegen einlegt. Per Kreislaufwirtschaftsgesetz ist der Landkreis verpflichtet, den Schutt anzunehmen. Dieser wird gemäß eines Verfahrens des Umweltministeriums freigemessen und gilt somit als nicht radioaktiv. Bisherige Vorberatungen im Aufsichtsrat der Abfallverwertungsgesellschaft AVL und im Ausschuss für Umwelt und Technik im Kreistag ergaben kein klares Stimmungsbild: Die Abstimmung wurde ans Kreistagsplenum verwiesen.
Die Mitglieder der Interessengemeinschaft lehnen die Ablagerung aus mehreren Gründen ab, unter anderem, weil das Freigabekonzept des Umweltministeriums „spekulativ, veraltet und nicht kontrollierbar“ sei, wie es in der Einladung zu der Veranstaltung heißt. Zudem fehle ein Gesamtkonzept für Baden-Württemberg, denn es sei nicht klar, wohin der freigemessene Müll aus Philippsburg und Karlsruhe soll – dort gibt es keine Deponien für den Schutt. Und es sei nicht klar, ob aus den 3350 Tonnen nicht 5000, 10 000 oder gar 15 000 würden, wie Erwin Wild von der Interessengemeinschaft sagte.
300 000 Tonnen Schutt pro Kraftwerk
Als Kreisrat hielt der Grüne Andreas Roll eine Rede. Er wolle den Umweltminister vor „seiner größten politischen Fehlentscheidung seiner Karriere“ bewahren. Er baue auf ein „deutliches Zeichen“ des Kreistags. Die Stimmen der FDP habe er bereits sicher, sagte der liberale Kreisrat Johann Heer, diese lehne die Deponierung in Schwieberdingen „kategorisch“ ab. Die Agrarwissenschaftlerin Monika Leder von der Interessengemeinschaft sagte, die Bürger hätten kein Vertrauen mehr in das Umweltministerium und die AVL. „Wenn sie auch gering ist, aber diese Strahlung ist zusätzlich.“ Und jede zusätzliche Dosis bedeute ein zusätzliches Gesundheitsrisiko.
Gertrud Patan vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz sagte, dass ein Atomkraftwerk ungefähr 300 000 Tonnen Bauschutt ergebe. „99 Prozent davon sollen in den konventionellen Stoffkreislauf, die Hälfte davon muss freigemesssen werden.“ Sie empfahl eine gemeinsame Position aller Deponiestandorte. Aus Patans Sicht solle alles Material an den Kraftwerksstandorten bleiben.
Gemeinderäte von drei Kommunen stimmten dagegen
Auch Schwieberdingens Bürgermeister Nico Lauxmann sprach zu den Teilnehmern. Als einer der ersten Bürgermeister hatte er sich gegen die Pläne des Umweltministeriums gestellt, der Gemeinderat beschloss vor Monaten einstimmig, dass man die Ablagerungen auf der Deponie „kategorisch ablehnt“. „Wir haben uns gegen die Pläne des Landes ausgesprochen mit dem Wissen um die aktuelle Rechtslage. Und das Schöne ist: Schwieberdingen ist mit dieser Meinung nicht alleine“, sagte Lauxmann mit Blick auf seinen Kollegen Rudolf Kürner aus Markgröningen und den Vaihinger Oberbürgermeister Gerd Maisch.