Der erste Bauabschnitt (ein Doppelhaus) ist beschlossen, der Rest Zukunftsmusik. Foto: Stadt Ebersbach

Die Verwaltung will in einem Wohngebiet Doppelhäuser für Geringverdiener bauen – Deutsche und Flüchtlinge. Beginnen soll es mit einem Haus für vier Familien. Auf der Straße aber wird verbreitet, man wolle 144 kriminelle Schwarze ansiedeln.

Ebersbach - Eigentlich hat Ebersbach alles richtig gemacht: Die Stadt will die Anschlussunterbringung von Asylbewerbern dazu nutzen, in den sozialen Wohnungsbau einzusteigen und in einem gutbürgerlichen Wohngebiet am Dachsweg bis zu neun Häuser für Geringverdiener bauen – Deutsche und Flüchtlinge. Und sie hat sich bemüht, die Anwohner früh über ihre Pläne zu informieren. Doch sie hat nicht mit dem Misstrauen ihrer Bürger gerechnet. Und das ist groß an der Schnittstelle von Nachverdichtung, die alleine schon vielerorts ein Zankapfel ist, und der Unterbringung von Flüchtlingen.

In dem Wohngebiet werden bereits Unterschriften gesammelt. In einem anonymen Flugblatt wird vor Gettoisierung, vor negativen Auswirkungen und sozialen Spannungen gewarnt.

Offener Brief und Informationsschreiben der Stadt

Auch Thomas Borowski hat das Flugblatt in seinem Briefkasten gefunden – und bei der Stadt nachgehakt. Seither versucht er, seine Nachbarn zu beruhigen. Der Mann etwa, der ihn gefragt hatte, ob er helfen wolle Unterschriften gegen den Plan zu sammeln, 144 kriminelle Schwarze im Dachsweg unterzubringen, war überrascht, als er erfuhr, dass im Moment nur ein Doppelhaus mit vier Wohnungen à 60 Quadratmetern für Geringverdiener gebaut werden soll. Und dass, selbst wenn alle Überlegungen verwirklicht würden, maximal 72 Menschen, die Hälfte davon Kinder, in 18 Wohnungen in neun Häusern ziehen würden.

„In unserem Wohngebiet wird doch die ganze Zeit gebaut“, sagt Borowski. Das Projekt der Stadt sei vergleichsweise klein. Der Frührentner hat einen offenen Brief verfasst, in dem er für das Projekt „Wohnen für alle“ wirbt. Darin erinnert er auch an das Straßenfest, das jedes Jahr im Viertel gefeiert wird und das schon heute von den unterschiedlichen Nationen vor Ort profitiere. Ob der Brief viel ändert, ist fraglich, denn die Vorbehalte sind groß. Auch ein Informationsschreiben, das die Stadt jetzt verteilt hat, scheint wenig zu ändern.

Kritiker befürchten, dass der soziale Wohnungsbau nur ein Deckmantel sei

Einer der Kritiker, der namentlich nicht genannt werden will, versucht, das Misstrauen zu erklären: Die Stadt habe stets behauptet, dass es um Wohnraum für alle gehe. Doch in den Vorlagen des Gemeinderats seien die 16 Plätze im jetzt geplanten Doppelhaus schon für die Anschlussunterbringung verbucht. Die Stadt, so befürchten der Mann und seine Mitstreiter, wolle unter dem Deckmantel des sozialen Wohnungsbaus Räume für Flüchtlinge schaffen.

Es gibt Befürchtungen, die häufig zu hören sind, wenn es um Nachverdichtung geht: dass es künftig zu wenig Parkplätze gebe, dass das Gelände ungeeignet sei, dass womöglich der nahe Steilhang abrutsche oder die Immobilienpreise verfielen. Hinzu kommen Ängste, die oft geäußert werden, wenn es um Flüchtlinge geht: dass nur schwarze Männer angesiedelt würden, weil von denen zurzeit so viele ins Land kämen. Dass von diesen viele kriminell seien und dass so eine große Zahl von Fremden nicht integriert werden könne. Zum Schluss folgen Gerüchte – ein Stadtrat habe erzählt, dass sich Flüchtlinge geweigert hätten, Wohnungen in den Teilorten zu beziehen – und vermeintliche Alternativen: Man könne doch Wohnraum im Industriegebiet schaffen oder entlang der Bahnlinie.

Ordnungsamtsleiterin: „Da ist einiges durcheinander geraten.“

Man müsse in Zukunft wohl noch genauer darauf achten, wie man Informationen, etwa in Gemeinderatsvorlagen, aufbereite, sagt die Ordnungsamtsleiterin Jutta Schabl. Denn „da ist offenbar einiges durcheinandergeraten“. Ihre Behörde sei eigentlich nur für die Anschlussunterbringung zuständig. Doch wie es in kleineren Städten oft passiere, sei das Thema sozialer Wohnungsbau, das daraus entstanden sei, in ihrer Abteilung geblieben. Schabl stellt klar: In den geplanten Gebäuden wolle die Stadt Geringverdiener unterbringen, darunter auch Flüchtlinge, doch diese sollten in der Minderheit bleiben. Um welche Nationalitäten es gehe, werde sich erst herausstellen, wenn es so weit sei. Schließlich werde es noch weit mehr als ein Jahr dauern, bis das Gebäude gebaut sei.

Um eine gute Mischung zu erreichen, will die Kommune unter anderem Bewohnern bestehender Sozialwohnungen anbieten, in den Dachsweg zu ziehen. Die Flüchtlinge könnten dann zum Teil in deren – kleinere – Wohnungen ziehen. Der derzeitige Ansturm bei der Anschlussunterbringung werde unter anderem mit den Containern bewältigt, die in der Daimlerstraße aufgestellt worden seien, und mit Privatwohnungen. „Und genau das verschafft uns nun die Zeit, in eine Planung einzusteigen, von der am Ende alle profitieren sollen.“

Informationsabend für Bürger am 11. Oktober geplant

Bei den Flüchtlingen, die nicht in die Teilorte ziehen wollten, handelte es sich um Familien, die etwas anderes gefunden hatten, das zentraler lag – nicht um Flüchtlinge, die das Landratsamt der Stadt zugewiesen hatte. „Verständlich, dass man etwas Zentrales vorzieht, wenn man kleine Kinder, aber kein Auto hat“, sagt Schabl.

Am 11. Oktober veranstaltet die Stadt einen Informationsabend. Die Verwaltung hofft, dann die Sorgen ihrer Bürger aus dem Weg räumen zu können. In Sachen Parkplatzsituation ist sie bereits am Planen.

Ein Blick in die Region: Proteste und Klagen allerorten

In der Region Stuttgart kracht es häufig, wenn Kommunen Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge schaffen wollen. Selbst wenn es sich um Projekte handelt, die auch Deutschen nutzen, die im Ballungsraum mit seinen hohen Mieten nur schwer eine Wohnung zu finden.

Wäschenbeuren baut zwei Häuschen mit je zwei Wohnungen für Flüchtlinge, die später in Sozialwohnungen umgewandelt werden sollen. Mit einem Anwohner, der dagegen klagte, handelte die Kommune einen Kompromiss aus. In Göppingen klagten zwei Anwohner vergeblich gegen den Plan eines Privatinvestors ein Haus für Flüchtlinge auszubauen.

Ludwigsburg, das auf die Verteilung der Flüchtlinge auf Wohnungen im ganzen Stadtgebiet setzt, liegt mit den Nachbarkommunen Kornwestheim und Remseck im Clinch, weil diese ein Wohnheim für 200 Menschen bauen wollen – direkt neben dem Ludwigsburger Stadtteil Grünbühl. Ditzingen will über alle Teilorte verteilt Doppel- und Mehrfamilienhäuser für Flüchtlinge und Geringverdiener bauen. Anwohner befürchten einen Anstieg der Kriminalität. In Esslingen will man unter anderem in „Hoffnungshäusern“ Flüchtlinge und Geringverdiener unterbringen und so die Integration vorantreiben. Ein Eilantrag zweier Anwohnern dagegen wurde abgewiesen. Winnenden (Rems-Murr-Kreis) will auf einem Grundstück, das die Kirche der Stadt überlassen hat, 20 Wohnungen bauen – für Geringverdiener aller Art. Auch dort protestieren Anwohner.