Beim schwersten Bombenanschlag seit Jahren in Kabul sind hunderte Zivilisten verletzt worden. Foto: EPA

Frühjahrsoffensive der Taliban: Beim schwersten Anschlag seit Jahren in Kabul sterbenmindestens 28 Menschen, mehr als 320 werden verletzt.

Kabul - Auf den Straßen staut sich noch der Morgenverkehr, als die Militanten zuschlagen. So gewaltig ist die Explosion der Autobombe, dass noch einen Kilometer weiter Scheiben zerbersten und Schränke wackeln. Mit dem schlimmsten Blutbad seit Jahren in Afghanistans Hauptstadt Kabul haben die Taliban am Dienstag den Beginn ihrer „Frühjahrsoffensive“ markiert. Bei dem Anschlag wurden laut Polizei mindestens 28 Menschen getötet und mehr als 320 verletzt. Die meisten Opfer sind Zivilisten.

Die Attacke in einem dicht besiedelten Viertel unweit zahlreicher Regierungsgebäude kommt einer schallenden Ohrfeige für Präsident Ashraf Ghani gleich, der sich seit Monaten inständig um Friedensgespräche bemüht. Anschlagsziel war offenbar eine Eliteeinheit des afghanischen Geheimdienstes NDS, die für den Schutz von Ministern und anderen wichtigen Persönlichkeiten zuständig ist. Den Angaben zufolge sprengte zunächst ein Selbstmordattentäter am Eingang des NDS-Gebäudes eine Autobombe in die Luft, anschließend eröffneten Militante das Feuer und drangen angeblich in das Gebäude ein. Erst nach drei Stunden konnten Sicherheitskräfte die Gefechte beenden. Noch am Mittag lag schwarzer Rauch über dem Gebiet. Die Explosion sei so gewaltig gewesen, dass er 20 Minuten taub gewesen sei, erzählt ein Polizist Reportern.

Die Taliban bekannten sich zu der Attacke. Es war ihr größter Anschlag, seit sie vor einer Woche den Beginn ihrer Frühjahrsoffensive ankündigten, die diesmal nach dem legendären Talibanchef Mullah Omar „Operation Omari“ benannt ist. Dabei hatten sie mit groß angelegten Anschlägen gedroht. Präsident Ghani verurteilte das Attentat in der „allerschärfsten Form“. Der Anschlag dürfte Vorbote für weiteres Blutvergießen sein. Die eigentliche Kampfsaison hat gerade erst begonnen.

Seit die Nato Ende 2014 die meisten ihrer Truppen abzog, fühlen sich die Taliban auf der Siegerstraße. Vor allem in der Provinz Helmand und am alten Bundeswehr-Standort Kundus gewinnen sie an Boden. Präsident Ghani bemüht sich seit Monaten, die Militanten an den Verhandlungstisch zu holen, um den Krieg zu beenden. Doch die Friedensgespräche kommen nicht voran. Zwar hatte eine Vier-Länder-Gruppe aus Afghanistan, Pakistan, den USA und China noch im Februar erklärt, dass es bald zu Gesprächen kommen werde. Doch die Hoffnungen zerschlugen sich, als die Taliban im März ihre Teilnahme absagten und Vorbedingungen stellten.

Der jüngste Anschlag wirft den Friedensprozess weiter zurück. Vor allem Ghani gerät zu Hause unter Druck. Sein Friedenskurs ist in Afghanistan umstritten. Rund anderthalb Jahre nach seinem Amtsantritt kann der frühere Weltbank-Mitarbeiter wenig vorweisen, was den Menschen Hoffnung macht. Die Zahl der Todesopfer stieg 2015 auf den höchsten Stand seit Beginn des Krieges 2001. Laut offiziellen Zahlen starben 3545 Zivilisten und 7557 Zivilisten wurden verletzt. Zudem verloren 5500 afghanische Soldaten ihr Leben. Auch wirtschaftlich steht das Land am Abgrund. Mit den ausländischen Truppen zogen Gelder ab, die bisher die Wirtschaft angekurbelt hatten. Armut und Arbeitslosigkeit wachsen.