Alles im Blick? Szene aus dem Lagezentrum des baden-württembergischen Innenministeriums Foto: dpa

Ehe sie die Sicherheitsorgane im Land weiter aufrüstet, will die Landesregierung zunächst die Wirkung des Anti-Terrorpaket vom Jahresanfang genau betrachten.

Stuttgart - Ehe sie die Sicherheitsorgane im Land weiter aufrüstet, will die Landesregierung zunächst die Wirkung des Anti-Terrorpaket vom Jahresanfang genau betrachten. „Das Kabinett hat mich beauftragt, die Maßnahmen nochmals zu prüfen und einen Bericht zu geben, wenn weiterer Handlungsbedarf besteht“, sagte am Dienstag Landesinnenminister Reinhold Gall.

Nach dem Anschlag auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo am 7. Januar dieses Jahres hatte die Landesregierung mehr als 130 zusätzliche Stellen bei Polizei, Verfassungsschutz und Justiz geschaffen, um den Kampf gegen den islamistischen Terror zu intensivieren. Diese Maßnahmen, die insgesamt 27 Millionen Euro gekostet haben, seien nun fast zu 100 Prozent umgesetzt, sagte Gall.

Mit 105 neuen Stellen hat vor allem die Polizei von dem Zuwachs profitiert. Sie soll damit in die Lage versetzt werden, Islamisten im Internet besser zu überwachen und Telekommunikationsdaten auszuwerten. Gall: „Das erfordert auch einen enormen technischen Aufwand, denn wir brauchen modernste Software.“

Kein Aus für Weihnachtsmärkte

Im Innenministerium sei ein Kompetenzzentrum zur Islamismusprävention mit vier Stellen entstanden. Der Verfassungsschutz hat laut offiziellen Angaben 15 neue Stellen erhalten, in der Justiz wurden elf neue Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen, vor allem, um Staatsschutzkammern zu stärken.

Für Baden-Württemberg sieht Gall weiterhin eine hohe Gefährdung. Gleichzeitig rief der SPD-Politiker dazu auf, ein „Stück Normalität“ beizubehalten und das Gemeinwesen nicht destabilisieren zu lassen. Dass Weihnachtsmärkte wegen der Terrorgefahr abgesagt werden – die Stadt Straßburg erwägt aktuell diesen Schritt – hält Gall nicht für erforderlich.

Etwa 20 der rund 70 Islamisten, die bisher nach Erkenntnis der Behörden ins Kriegsgebiet nach Syrien und den Irak ausreisten, seien wieder ins Land zurückgekehrt. „Wir nehmen die Situation ernst, wir beobachten die salafistische Szene.“ Schnellschüsse bei der inneren Sicherheit seien jedoch falsch. Die Politik dürfe nun nicht nach dem Motto vorgehen: Wer übertrumpft wen?

Opposition würde gern draufsatteln

Gleichwohl sieht sich die Landesregierung dem Vorwurf ausgesetzt, die Situation zu verharmlosen. CDU-Fraktionschef und Spitzenkandidat Guido Wolf sagte am Dienstag: „Wir brauchen ein zweites Antiterrorpaket, das den Verfassungsschutz in die Lage versetzt, den Datenverkehr der Terroristen zu überwachen.“ Die Sicherheitskräfte seien für die neue Dimension des Terrors in Europa nicht gerüstet: „Deshalb müssen wir die Polizei und insbesondere den Verfassungsschutz stärken.“ Die von den Grünen betriebene Schwächung des Verfassungsschutzes müsse ein Ende haben. Außerdem soll die Polizei mit 1500 Stellen aufgestockt werden.

Die Liberalen halten das Engagement der Landesregierung für „völlig ungenügend“. Der Prüfauftrag an den Innenminister ignoriere, dass in Fachkreisen längst bekannt sei, dass weitere Maßnahmen erforderlich seien. „Wir bräuchten eine Polizei, die in der Fläche präsent ist und nicht ständig an der Belastungsgrenze arbeitet“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Er bekräftigte deshalb die Forderung nach tausend weiteren Stellen für die Polizei und zusätzlichen Mitarbeitern für den Geheimdienst.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann nannte die Terrorattacken in Paris einen „Angriff auf uns alle“. Sie seien ein Anschlag auf die Werte der Menschen, auf eine freie Gesellschaftsordnung und auf ein selbstbestimmtes Leben.