Hummelgautsche nennt man diesen Grillplatz. Warum sich die rechtsextreme Gruppe ausgerechnet diesen Ort für ihre Gründung ausgesucht hat, ist den Ermittlern noch nicht klar. Foto: /Gottfried Stoppel

Rechtsradikale sollen Angriffe auf sechs Moscheen geplant haben. Sicherheitskreise sehen darin einen „besonders ernst zu nehmenden Fall“. Es gibt Bezüge zu den Kreisen Esslingen und Rems-Murr. Gefasst wurden sie, weil einer bei der Polizei ausgesagt hat.

Alfdorf - Die Vaihinghöfer Sägmühle in Alfdorf, auch Hummelgautsche genannt, ist ein beliebtes Ausflugsziel mit Grillplatz und Spielwiese – ein friedlicher Ort im Rems-Murr-Kreis. Doch die Männer, die sich im September 2019 dort trafen, hatten mit Frieden wenig am Hut. Wie die „Tagesschau“ und der SWR berichten, fand dort das Gründungstreffen einer rechtsterroristischen Vereinigung statt.

Die Gruppe soll sich selbst „Der harte Kern“ genannt haben, die Behörden tauften sie intern „Gruppe S.“ nach ihrem mutmaßlichen Anführer Werner S. aus Augsburg. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass sich die Männer über das Internet und verschiedene Messengerdienste miteinander vernetzt hatten. Sie fabulierten davon, für ihre rechtsextremistischen Ideale zu kämpfen – mit allen Mitteln, notfalls bis zum Tod.

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Anschläge auf sechs Moscheen geplant

Die Gruppe, bestehend aus vier Mitgliedern und acht Unterstützern, soll Anschläge auf sechs Moscheen in kleineren Städten sowie auf Politiker und Flüchtlinge geplant haben. In Sicherheitskreisen gelten ihre Planungen als „besonders ernst zu nehmender Fall“ – auch, weil die Männer schnell bereit waren zu handeln. An der Aufklärung ihrer Aktivitäten war neben der Polizei auch der Verfassungsschutz beteiligt.

Manche der Männer waren vorher noch nicht auffällig gewesen, andere sind Neonazis oder Reichsbürger. Mindestens einer von ihnen soll als „Gefährder rechts“ eingestuft gewesen sein. So bezeichnen die Ermittler Rechtsextreme, denen sie jederzeit einen Anschlag zutrauen. Bundesweit waren dies im vergangenen Jahr 53 Personen, in Baden-Württemberg liegt die Zahl laut einem Sprecher des Landeskriminalamts „im einstelligen Bereich“. Der Verfassungsschutz geht zurzeit bundesweit von rund 12 700 gewaltorientierten Rechtsextremisten aus. Als die Fahnder am Freitag im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die „Gruppe S.“ 13  Wohnungen in mehreren Bundesländern durchsuchten, entdeckten sie selbst gebaute Schrotflinten und Handgranaten, eine Pistole, Messer, Dolche und eine Armbrust.

Keine rechte Szene im Kreis Esslingen

Als eines von vier Mitgliedern der Gruppe wird Michael B. aus Kirchheim/Teck (Kreis Esslingen) genannt. Daraus kann laut Björn Reusch, einem Sprecher des für die Kreise Esslingen, Reutlingen, Tübingen und Zollernalb zuständigen Polizeipräsidiums in Reutlingen, jedoch nicht geschlossen werden, dass sich im Landkreis Esslingen oder gar in der Stadt Kirchheim eine rechte Szene etabliert hätte. „In Kirchheim gibt es aus unserer Sicht keine Auffälligkeiten im Bereich rechtsmotivierter Straftaten“, sagte Björn Reusch auf Anfrage unserer Zeitung.

Zu der Frage, ob auch bei Michael B. Waffen sichergestellt wurden, macht ein Sprecher der Bundesanwaltschaft keine Angaben. Dass B.s Name an der zweiten Stelle einer Liste des Generalbundesanwalts mit den Namen der Festgenommenen steht, gleich hinter dem Namen des Anführers, sagt dem Sprecher zufolge jedoch nichts über seine Position in der Hierarchie aus. Weshalb sich die „Gruppe S.“ Alfdorf im Rems-Murr-Kreis als Treffpunkt für ihre Gründung ausgesucht hatte, ist unklar: Von den zwölf Männern stammt keiner aus dem Landkreis.

Gefahr durch Chatgruppen

Verschiedene Medien haben berichtet, dass sich die Männer über das Internet kennengelernt hätten – laut der „Welt am Sonntag“ in einer Whatsapp-Gruppe, der Deutschen Presseagentur zufolge in einer Chatgruppe des Kurznachrichtendiensts Telegram. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft bestätigte dies weder, noch dementierte er es. Miro Dittrich, der für die Amadeu-Antonio-Stiftung seit mehreren Jahren rechtsextreme Chatgruppen im Internet beobachtet, hält es für ebenso gut möglich, dass die Männer sich offline, etwa bei Demos der rechten Szene kennengelernt haben könnten.

Generell sieht Dittrich jedoch die Gefahr, dass sich Menschen mit rechtsextremen Einstellungen in geschlossenen Chatgruppen anstacheln. „In solchen Gruppen sind, anders als etwa in einer öffentlichen Facebook-Gruppe, nur Menschen mit der gleichen Meinung unterwegs. Gegenreden gibt es dann nicht mehr. Die Nutzer driften ab in eine faktenfreie Parallelwelt und radikalisieren sich gegenseitig.“

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Der 13. Mann hat ausgesagt

Zu Spekulationen führt die Rolle des 13. Mannes im Bunde, der ursprünglich zum Kern der Gruppe gehört haben soll. Er ist der Einzige, gegen den kein Haftbefehl erlassen wurde. Laut der „Tagesschau“ waren die Ermittlungen durch den Verfassungsschutz des Bundes ins Rollen gekommen. Der 13. Mann soll schon im Oktober gegenüber der Polizei über die „Gruppe S.“ ausgesagt haben.

Die Festnahmen hätten deutlich die akute Gefahr rechtsmotivierter Anschläge gezeigt, sagte der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser. Daher sei es unbedingt nötig, „die Schutzstandards für gefährdete Objekte wie religiöse Einrichtungen deutschlandweit einheitlich zu gestalten“, forderte er .

Ähnlich wie „Revolution Chemnitz“

Die Planungen der „Gruppe S.“ weisen Ähnlichkeiten mit den Plänen der Gruppe „Revolution Chemnitz“ auf. Deren Mitglieder sind im Oktober 2018 festgenommen worden. Auch unter ihnen war von Anschlägen auf Ausländer und politisch Andersdenkende die Rede gewesen. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass diese Pläne in ein „symbolträchtiges Geschehen“ am Tag der Deutschen Einheit 2018 in Berlin münden sollten. Zurzeit stehen die acht Männer, die der Hooligan-, der Skinhead- und der Neonazi-Szene zuzurechnen sind, in Dresden vor Gericht.