Journalistenverbände kritisieren die Maßnahme scharf (Symbolbild). Foto: AP

Journalisten haben es schwer in der Türkei, wie etwa der Fall Yücel drastisch vor Augen geführt hat. Vielen werden Kontakte zu angeblichen Putschisten oder zu kurdischen Extremisten vorgehalten. Nun trifft es eine niederländische Journalistin.

Istanbul/Amsterdam - Die Türkei hat eine niederländische Journalistin wegen angeblicher Verbindungen zu einer Terrororganisation abgeschoben. Die Behörden handelten aufgrund von Hinweisen der niederländischen Polizei, wie der Kommunikationschef des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag mitteilte. Die Abschiebung der 31-jährigen Frau namens Ans Boersma habe nichts mit ihrer journalistischen Arbeit zu tun.

Die niederländische Justiz bestätigte, dass die Journalistin in einem Ermittlungsverfahren wegen Terrorismusverdachts auftauche, betonte aber auch, dass sie selbst nicht eines terroristischen Verbrechens verdächtigt werde. „In einem laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurden kürzlich den türkischen Behörden Fragen gestellt“, hieß es in der Stellungnahme. Außerdem seien Informationen geteilt worden. Es habe aber keinen Antrag auf Festnahme, Ausweisung oder Auslieferung gegeben.

Journalistenverbände kritisierten die Maßnahme scharf. Sie zeigten sich angesichts der schwierigen Lage für Journalisten in der Türkei zudem irritiert über das Verhalten der niederländischen Behörden.

Reihe von Festnahmen im Jahr 2017

Boersma arbeitet als freie Journalistin vor allem für das Wirtschaftsblatt „Het Financieele Dagblad“ (FD). Sie informierte ausländische Journalisten am Donnerstag darüber, dass sie festgenommen wurde und abgeschoben werde.

Die Medien in der Türkei stehen seit langem unter Druck. Nach dem Putschversuch von Juli 2016 ließ Präsident Erdogan Medienhäuser per Dekret schließen. Zudem sitzen viele Journalisten in Haft. Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen belegt die Türkei Platz 157 von 180.

2017 hatte eine Reihe von Festnahmen deutscher Staatsbürger in der Türkei eine schwere Krise zwischen Berlin und Ankara ausgelöst. Darunter ist der „Welt“-Reporter Deniz Yücel, der ein Jahr lang ohne Anklageschrift in einem Istanbuler Gefängnis saß, bevor er nach Deutschland ausreisen durfte. Auch die deutsche Journalistin Mesale Tolu war in der Türkei inhaftiert, durfte aber im August ausreisen.

Die Polizei nahm Boersma nach FD-Angaben am Mittwoch auf der Einwanderungsbehörde in Istanbul in Gewahrsam. Dort wollte Boersma demnach ihre Aufenthaltserlaubnis verlängern. Die Polizei habe sie aber mitgenommen und ihr nicht erlaubt, in ihre Wohnung zurückzukehren. Die Nacht musste sie in Abschiebehaft verbringen. Ihr gegenüber wurden dafür „sicherheitsrelevante Gründe“ angeführt.

Niederländische Botschaft eingeschaltet

In einer Erklärung der FD-Chefredaktion hieß es, dass die Polizei Boersma nach ihrer journalistischen Arbeit gefragt habe. Sie selber glaube, dass ihre Ausweisung mit einer früheren Beziehung zu einem Syrer zusammenhängen könnte. Der war demnach im Herbst in den Niederlanden wegen früherer Mitgliedschaft in der Al-Nusra-Front, einem früheren al-Kaida Ableger in Syrien, verhaftet worden. Auch nach türkischen Angaben soll Boersma Kontakte zur Al-Nusra-Front gehabt haben.

Das niederländische Generalkonsulat und auch die Botschaft wurden nach Angaben der Zeitung eingeschaltet, konnten aber nichts ausrichten. Nach Angaben des regierungskritischen Online-Portals Diken verhängte die Türkei eine Einreisesperre für sechs Jahre. Dafür gab es zunächst keine Bestätigung.

Kurz vor ihrem Abflug nach Amsterdam schrieb die Journalistin auf Twitter: „Und dann ist man auf einmal im Flugzeug zurück in die Niederlande.“ Die Türkei habe sie „zur unerwünschten Person erklärt“. Bei der Ankunft in Amsterdam wurde sie nach Angaben der niederländischen Staatsanwaltschaft nicht festgenommen.

Boersma hatte nach Angaben ihrer Zeitung erst in der vergangenen Woche für 2019 einen türkischen Presseausweis und damit eine Arbeitserlaubnis erhalten. Die Pressekarte wird vom Präsidentenbüro in Ankara vergeben und muss jedes Jahr verlängert werden.

„Eklatante Verletzung der Pressefreiheit“

FD-Chefredakteur Jan Bonjer sprach von einer „eklatanten Verletzung der Pressefreiheit“. Die Zeitung will rechtlich gegen die Ausweisung vorgehen. Die niederländische Journalistengewerkschaft forderte die Regierung in Den Haag zum Handeln auf.

Der Türkei-Experte der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG), Erol Önderoglu, kritisierte die niederländischen Behörden. Die Aussage, man habe die Abschiebung nicht gewollt, reiche als Erklärung nicht aus, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Es sieht danach aus, als hätten Holland und die Türkei zusammen eine Journalistin diskreditiert.“ Dass geheime Informationen auf diese Weise an die Öffentlichkeit geraten, sei ein „Angriff“ auf die Journalistin. Es gelte die Unschuldsvermutung.

Die Beziehungen zwischen den Niederlanden und der Türkei waren lange angespannt. Unter anderem sorgte der Streit um ein Auftrittsverbot türkischer Minister in den Niederlanden im Jahr 2017 für einen Eklat. Zuletzt hatten sich die beiden Länder aber wieder angenähert.