Hat er die Milliarden im Griff? Bundesfinanzminister Olaf Scholz verteidigt den von Deutschland und Frankreich vorgeschlagenen Wiederaufbaufonds. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Politik gibt das Geld mit vollen Händen für Hilfsprogramme aus – zu viel? Der von Angela Merkel und Emmanuel Macron vorgeschlagene Wiederaufbaufonds hat auch in Deutschland nicht nur Befürworter. Aber gegen die Krise ansparen will auch niemand.

Stuttgart - Wie viele Nullen sind im Spiel? Was die Politik derzeit an Schutzschirmen, Hilfsgeldern und Notprogrammen unters Volk bringt, kann einen an Sparsamkeit gewöhnten Normalbürger schwindlig machen. Weit über eine Billion Euro werden es wohl sein, meint Anne Will am Sonntagabend in ihrer Talkrunde – und jetzt sollen auch noch der von Frankreich und Deutschland vorgeschlagene Wiederaufbaufonds in Höhe von 500 Milliarden dazu kommen. „Wie viel Hilfe kann sich Deutschland leisten?“, fragt sie deshalb unter anderem Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

Der SPD-Mann vermittelt mit hanseatischem Pokerface den Eindruck, als habe er all die Nullen im Griff. „Es reicht nicht, wenn es bei uns gut läuft, aber woanders schlecht“, begründet er den Vorschlag von Frankreichs Premier Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel, den notleidendsten EU-Staaten hohe Zuschüsse zu gewähren. An Krediten mangele es denen nicht, sondern an unmittelbarer Hilfe zum Wiederaufbau ihrer Wirtschaft, befindet Scholz – und verzieht nicht einmal eine Miene, als Anne Will ihn fragt: „Darf man mit Milliarden nur so um sich schmeißen?“ Da werde doch niemandem einfach Geld überwiesen mit dem Hinweis „Mach’ was Schönes draus“, hält er dagegen. Die konkreten Projekte würden vielmehr von der EU bewilligt.

Sparen – aber wo?

Am anderen Ende der Nothelfer-Skala sitzt Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler. Dass er die Hände ringt bei solchen Zahlen, dass er mahnt, am Ende müssten die Bürger das alles bezahlen, gehört quasi zu seiner Stellenbeschreibung. Nein, man solle nicht gegen die Krise ansparen, wehrt er ab, aber man dürfe das Sparen auch nicht aus dem Blick verlieren. Sparen – aber wo? Scholz erwischt Holznagel mit dieser Frage auf dem falschen Fuß, denn als der Steuerzahler-Chef einen Zehn-Millionen-Euro-Vorschlag macht, verzieht der Hanseat die Mundwinkel dann doch zum Grinsen: So sei das immer bei diesem Thema, wenn es konkret werde, komme nicht mehr viel. Die Grünen hat Olaf Scholz beim Thema 500-Milliarden-Fonds ohnehin an seiner Seite. Parteichefin Annalena Baerbock will sogar 1000 Milliarden für Europa locker machen, um den Binnenmarkt anzukurbeln. Sonst, so lautet ihre Drohkulisse, kommen die Chinesen und gerieren sich als edle Helfer.

Die Zukunft „verschlafen“

Carsten Linnemann, der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, weiß offenbar nicht so recht, was er von dem Wiederaufbaufonds halten soll. Er „begrüßt“ die Debatte und meint, das Geld solle zum Teil als Kredite und zum Teil als Zuschüsse gewährt werden. Man müsse aber aufpassen, dass die Milliarden nicht in irgendwelchen nationalen Rentensystemen versickerten.

„Es geht nicht darum, wie viel Geld ausgegeben wird, sondern wofür“, befindet die Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzer, seit kurzem Mitglied der fünf Wirtschaftsweisen. Man dürfe nicht jedem nachgeben, der besonders laut schreit, warnt sie und nennt ausdrücklich die Autobranche mit ihrem Wunsch nach einer Kaufprämie. Schnitzer: „Die Autobranche hat die Zukunft verschlafen.“ Ein Konjunkturpaket dürfe nur wettbewerbsfähige Ideen unterstützen.