Die Rektorin Beate Müller, der französische Lehrer Eric Daubard, die Schüler Perrel und Marie, die Bibliothekarin Orienne Debatty, und die MUM-Lehrerin Gabriele Berger (von links) freuen sich über das 20-jährige Bestehen der Partnerschaft. Foto: Christoph Kutzer

Die Anne-Frank-Gemeinschafts- und Realschule hat seit 20 Jahren eine Partnerschaft mit dem Collège Les Capucins im französischen Melun.

Möhringen - Die machen Waffeln“, raunt eine Schülerin ihrer Freundin im Eingangsbereich der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule zu und deutet nach unten. Es duftet verlockend. Ein paar Stufen tiefer herrscht reges Treiben: 15 Jugendliche aus dem französischen Melun und ihre deutschen Klassenkameraden tummeln sich unter Anleitung von MUM-Lehrerin Gabriele Berger in der Küche. Einige sind noch am Waffeleisen aktiv, andere bringen die Erzeugnisse im Ofen in Sicherheit oder spülen ab. Wer denkt, das ursprünglich niederfränkische Gebäck sei für die an Crêpes gewöhnten Franzosen exotisch, der irrt übrigens: „Natürlich kennen wir auch solche Waffeln“, betont Eric Daubard, der die Gruppe aus der Region Île-de-France gemeinsam mit Bibliothekarin Orianne Debatty in die Landeshauptstadt begleitet hat.

Zunächst hatte der 50-Jährige ja Gerichtsvollzieher oder Offizier in der französischen Gendarmerie werden wollen. Doch ein Schüleraustausch brachte seine Pläne ins Wanken. Letztlich studierte er Germanistik an der Sorbonne in Paris. „Ein paar graue Augen in Hamburg war daran nicht ganz unschuldig“, erinnert er sich schmunzelnd.

Die deutschen Schüler sind höflich

Die Motive von Marie (15), sich für das Erlernen der deutschen Sprache zu entscheiden, sind profaner: „Ich wollte nicht Spanisch lernen“, gesteht sie. Den Aufenthalt in Stuttgart, der nun zu Ende geht, hat sie genossen – obwohl in ihrer Gastfamilie niemand französisch sprach. „Ich hatte im Vorfeld schon etwas Angst, mich nicht richtig ausdrücken zu können“, gesteht sie. „Es war dann aber gar kein Problem. Wir haben uns notfalls mit Händen und Füßen unterhalten.“ Das hat auch bei Perrel funktioniert. Der hochgewachsene 14-Jährige hat sich ebenfalls ausgesprochen wohl gefühlt. Trotz einer lästigen Schulterverletzung, die er sich noch kurz vor der Deutschlandreise beim Basketball zugezogen hat. Mit leuchtenden Augen berichtet er von hausgemachten Spätzle und dem Besuch auf dem Fernsehturm. Das Tollste sei aber das Mercedes-Benz-Museum gewesen. Während Marie die Sauberkeit in Stuttgart lobt, ist Perrel vor allem von der Höflichkeit in der Landeshauptstadt fasziniert. Dass sich jeder einen guten Tag wünsche, „bitte“ und „danke“ sage, sei gerade unter jüngeren Franzosen eher ungewöhnlich, erklärt er. Dass die hiesigen Manieren so gut sind, dürfte manchem Einheimischen noch gar nicht aufgefallen sein. Vieles ist eben eine Frage des Blickwinkels.

Unterschiedliche Arten ein Frühstücksei zu essen

„Wenn man feststellt, dass es kleine kulturelle Unterschiede gibt und diese im Endeffekt sogar spannend oder amüsant sind, dann leistet das einen wertvollen Beitrag zur gegenseitigen Akzeptanz“, gibt Beate Müller, Schulleiterin der Anne-Frank-Schule, zu verstehen und hat auch gleich das passende Beispiel parat: „Wie essen Sie Ihr Frühstücksei?“, fragt sie. „In Frankreich wird jeder entsetzt die Augen aufreißen, wenn man das obere Stück abschlägt, um es auszulöffeln. Dort wird es gepellt.“ „Wir köpfen nur unsere Könige“, scherzt Eric Daubard, der den inzwischen zwanzig Jahre währenden Austausch zwischen dem Collège Les Capucins und der Stuttgarter Schule von Anfang an begleitet. „Es ist wichtig, dass wir die Freundschaft zwischen unseren Ländern nicht als selbstverständlich hinnehmen, sondern als etwas Besonderes wertschätzen und aktiv pflegen“, hält er fest. Um das zu unterstreichen, ist für den Gegenbesuch der Stuttgarter Schüler unter anderem ein Besuch auf dem Schlachtfeld von Verdun geplant.