Manche Dinge ändern sich nie: Von außen sieht die Schule noch fast genauso aus wie vor 50 Jahren. Innendrin hat sich aber einiges getan. Foto: Leonie Thum

Die Anne-Frank-Schule feiert Geburtstag. Ein Rückblick auf die vergangenen fünf Jahrzehnte der Schule zeigt: Vieles mag heute anders sein, doch manche Dinge bleiben gleich.

Möhringen - „Wolfgang S. verhält sich im Unterricht trotz Ermahnung unverschämt und trinkt ohne Erlaubnis Cola“ und „Kaspar A. löst während der Biologiestunde Kreuzworträtsel und liest ‚Bravo’“. So lauten zwei der Einträge in dem schwarzen Buch auf dem Tisch. Auf dem Einband steht: Erziehungsmaßnahmen – Einträge, Band 2. Es stammt aus den frühen 70er Jahren und wurde seither im Rektorat der Anne-Frank-Gemeinschafts- und Realschule aufbewahrt.

Momentan liegt es vor Beate Müller, die seit 2009 Rektorin ist. Im Zuge des 50-jährigen Bestehens der Schule beschäftigt sie sich in diesen Tagen mit alten Dokumenten, Zeitungsartikeln und Tagebüchern früherer Rektoren. Oder, wie sie es lachend formuliert: „Ich wühle mich durch die Annalen der Schule.“

Schüler dürfen mitbestimmen

Dabei komme viel Interessantes zum Vorschein, neben den amüsant zu lesenden Einträgen beispielsweise die Tagebücher des ersten Schulrektors. „Wenn ich mir seine Notizen durchlese, denke ich mir: Was für interessante Parallelen es zwischen damals und heute gibt“, sagt Müller. Einige grundsätzliche Leitgedanken seien nahezu unverändert. So zum Beispiel der des demokratischen Miteinanders. „Die Schüler haben ein Recht auf Mitbestimmung“, sagt Müller. Auch die Schulgemeinschaft wurde damals wie heute sehr hoch gehalten. Ein weiterer Punkt sei, dass die Leistung und nicht die Herkunft zähle.

Das Thema ist aktuell und stand dennoch schon in den 60er-Jahren auf der Tagesordnung. Damals wurde mit dem Fasanenhof ein Stadtviertel aus dem Boden gestampft; 8000 Leute zogen hierher. Der Stadtteil war ein Produkt der Wohnungsnot nach dem Krieg – eine Zeit, in der Millionen von Flüchtlingen eine Bleibe suchten. Mit dem wachsenden Stadtbezirk wurde klar, dass es nicht genügend Schulen für die Kinder gab. Die Riedseeschule, das Königin-Charlotte-Gymnasium und die neue Fasanenhofschule ließen eine Lücke. Diese wurde im Jahr 1967 mit der Realschule Stuttgart-Möhringen geschlossen. Erst 1980 wurde sie in Anne-Frank-Realschule umbenannt.

Wie es dazu kam, weiß Müller ebenfalls aus den alten Dokumenten. „Es gab damals eine Schülerpetition, in der sich die Schüler beschwert haben, dass ihre Schule keinen eigenen Namen habe“, erzählt sie. Der damalige Rektor Albrecht Luy, der als Geschichtslehrer eine große Nähe zur Christlich-Jüdischen-Gesellschaft empfand, hatte alle Gremien überzeugen können und setzte den Namen durch – auch gegen Anfeindungen von rechts.

Einzelne Fächer werden bilingual unterrichtet

2014 wurde die Schule zu einer Gemeinschaftsschule und änderte wiederum ihren Namen. Für sechs Jahre ist sie nun eine Verbundschule aus Realschule und Gemeinschaftsschule. Ab Herbst 2020 wird sie ausschließlich den Namen Anne-Frank-Gemeinschaftsschule führen. Heute und in Zukunft kann man dort den Realschul- und den Hauptschulabschluss ablegen. Zudem soll es auch einen Gymnasialzweig geben.

Abgesehen vom Leitgedanken hat sich in den vergangenen 50 Jahren einiges getan, wie der Lehrer Holger Viereck berichtet. Neben der langen Theatertradition an der Schule wurde beispielsweise in den 90er Jahren ein Kommunikationstraining eingeführt. Dazu war die AFRS eine der ersten Schulen, die Mitte der 90er in einzelnen Fächern bilingual unterrichtet hat. „So etwas hätte man sich in den 70er-Jahren noch nicht vorstellen können“, sagt Viereck. Mittlerweile gibt es sogar bilinguale Angebote in zwei Sprachen.

Darüber hinaus prägen das Siegel „MINT-freundliche-Schule“, ein Sportschwerpunkt, internationale Schüleraustausche und die enge Verbundenheit mit dem Stadtbezirk die Schule. Demnächst soll es mehr Platz geben. Auf die Fläche vor dem Hauptgebäude wird die neue Mensa inklusive Multifunktionsraum gebaut. Der Spatenstich ist für Sommer 2017 geplant; gebaut werden soll eineinhalb Jahre.

Festakt am 20. Januar

Dass all diese Dinge nicht von selbst laufen, stellt die Rektorin Müller heraus: „Die Schule existiert durch die Personen hinter den Leitbildern.“ Die vielen Helfer, ob Lehrer, Eltern, Schüler oder Externe, machten die Schule erst zu dem, was sie sei und auszeichne. Gemeinsam mit allen soll deswegen das 50-Jahr-Jubiläum der Schule gefeiert werden, beginnend mit einem festlichen Auftakt am Freitag, 20. Januar, um 17 Uhr im Bürgerhaus, Filderbahnplatz 32.

Im Juli ist eine zweite Feier in Form eines Sommerfestivals geplant, zu der auch ehemalige Lehrer und Schüler eingeladen sind. Möglicherweise werden dann auch Wolfgang S. oder Kaspar A. zugegen sein. Es wäre die Gelegenheit, gemeinsam über die verjährten Sünden zu lachen.