Den einstigen Schlecker in Kirchberg betreibt Sonya Brosi. Mehr Kunden gingen immer, sagt sie. Aber sie komme zurecht. Foto: Gottfried Stoppel

Seit drei Jahren schlagen sich ehemalige Schleckerfrauen auf eigene Faust durch. Den möglichen Prozess gegen ihren einstigen Chef erwarten einige mit Genugtuung.

Rems-Murr-Kreis - Sonya Brosi klingt verschnupft. „Eine kleine Erkältung“, sagt sie. Nichts, wofür es sich lohne, daheim zu bleiben. „Das war aber schon zu Schlecker-Zeiten so. Wenn ich krank mache, muss es schon was Richtiges sein.“ Seit drei Jahren betreibt Brosi in den Räumen der ehemaligen Schlecker-Filiale in Kirchberg ihre Drogerie. Früher war sie hier Filialleiterin, heute ist sie Chefin und einzige Mitarbeiterin in Personalunion. Sie trägt lila statt blau, ist selbstständig statt angestellt. Im Laden ist sie unverzichtbar, macht sogar die Buchhaltung selbst. „Dadurch habe ich ständig die Zahlen im Blick“, sagt sie. Die könnten zwar besser sein – wo könnten sie das nicht. „Aber ich komme über die Runden und weiß, wie viel Geld am Monatsende übrig bleibt.“

Mit dem Kapitel Schlecker hatte Brosi eigentlich abgeschlossen. Doch die Zeitungsschlagzeilen der vergangenen Woche riefen die Vergangenheit wieder in Erinnerung: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gegen den einstigen Drogeriekönig Anton Schlecker, Brosis früheren obersten Vorgesetzten, Anklage erhoben. Der Vorwurf: vorsätzlicher Bankrott in 36 Fällen. Schlecker und seine Familie sollen im Vorfeld der Pleite 20 Millionen Euro beiseite geschafft haben. Geld, das den Gläubigern zugestanden hätte.

Ex-Schleckerfrau: „Er hat viele Menschen ins Unglück gestürzt“

Brosi hat sogar ein wenig Verständnis für ihren Ex-Chef: „Wenn wir ganz ehrlich sind, würde doch jeder versuchen, sich abzusichern. Wobei 20 Millionen schon eine große Menge Geld sind.“ Dass Drogerie-Mitarbeiter nicht mehr bezahlt worden seien, stimme ihres Wissens nach nicht. „Das Problem lag eher bei den Lieferanten. Schon ein Jahr vor der Pleite fehlte ein Drittel der Lieferungen, weil man sie nicht zahlen konnte. Den wirklichen Grund hat uns zwar niemand gesagt, aber wir konnten uns damals schon denken, woran es lag.“

Mit anderen Gefühlen blickt Martina Bareiss auf das anstehende Gerichtsverfahren gegen Anton Schlecker. „Ich empfinde schon ein Stück weit Genugtuung“, sagt sie. „Vielleicht gibt es ja doch Gerechtigkeit, er hat viele ins Unglück gestürzt.“ Seit dem Frühjahr 2013 betreibt Bareiss mit zwei weiteren Geschäftsführerinnen einen Drehpunkt – eine von sechs Filialen in Baden-Württemberg, auch in Schwaikheim gibt es einen solchen Schlecker-Nachfolger. Den Drogeriemogul habe sie persönlich nie kennen gelernt, sagt Bareiss. Wohl aber den Druck, den die Konzernleitung auf ihre Mitarbeiter ausüben ließ. „Ich weiß, dass unsere Detektive nicht nur die Kunden bespitzelt haben“, sagt Bareiss. Das Schlecker-Personal sei auch immer wieder am Ausgang abgefangen worden. „Dann wurde man durchsucht, bis hin zum Kofferraum des Autos.“ Sie vermutet auch, dass einer ihrer Vorgesetzten versteckte Kameras installiert hatte, um die Mitarbeiter zu überwachen. „Ich habe nicht nachgesehen, hatte ja nichts zu verbergen.“

Die kleinen Drogerien haben es schwer auf dem Markt

Nach drei Jahren haben sich einige der Turbulenzen um die Schlecker-Nachfolger gelegt. Der Förderverein, der sich um die Drehpunkte gekümmert hatte, ist aufgelöst. Im vergangenen Jahr konnten die Stützli-Wertmünzen eingelöst werden. „Viele Kunden haben aber gesagt, die schenken wir euch“, erzählt Bareiss.

Doch egal in welchem Ort: Die Lage der vergleichsweise kleinen Schlecker-Nachfolger ist noch immer nicht einfach. Die Drehpunkt-Frauen in Welzheim fürchten sich vor dem Bau eines Wohn- und Geschäftshauses, in dem in Sichtweite eine Rossmann-Filiale unterkommen soll. Das Projekt verzögert sich – „je länger, desto besser für uns“, meint Martina Bareiss. Und Sonja Brosi in Kirchberg erzählt von der Herausforderung, neue Lieferanten zu gewinnen: „Die erste Frage ist meistens, wie viele Filialen ich denn habe.“ Bis die ehemaligen Schleckerfrauen sich ganz entspannt zurücklehnen können, wird wohl noch einige Zeit vergehen.